Tea-Bag
mit dem Kreislauf.
- Eine plötzliche Diarrhöe. Die kann man überall bekommen. - Du verstehst meine Situation nicht. Selbst wenn ich von einer ganz realen Herzattacke betroffen wäre, würde sie mir vorwerfen, meine Versprechen nicht zu halten.
Pelle Törnblom sah ein, daß Jesper Humlins Probleme ernst zu nehmen waren. Er überlegte.
- Wann geht deine Maschine?
- In exakt siebenundsiebzig Minuten.
- Wir warten eine Stunde. Dann rufe ich an und sage, ich hätte dich zum Flugplatz gefahren, aber mein Auto hätte unterwegs eine Panne gehabt.
- Sie wird mir nicht glauben.
- Sie muß dir nicht glauben, Hauptsache sie glaubt mir.
Pelle Törnblom sprach mit entschiedener Stimme. Jesper Humlin sah ein, daß es keinen Sinn mehr hatte, sich gegen das Fest zu wehren, das ihn erwartete. Er reichte Pelle Törnblom das Handy.
- Ruf Andrea an, wenn du meinst, das bringt etwas. Aber mich erwartet ein veritabler Alptraum, wenn du nicht überzeugend klingst.
- Mach dir keine Sorgen.
Jesper Humlin spürte, wie seine Besorgnis sofort wuchs.
Sie überquerten den windigen und menschenleeren Marktplatz. Jesper Humlin dachte, er müßte fragen, was ihn eigentlich gleich erwartete, aber Pelle Törnblom kam ihm zuvor.
- Ein Glück, daß meine Jungs, die boxen, deine Gedichte nicht gehört haben.
- Ich habe schon verstanden, daß du sie nicht mochtest. Pelle Törnblom zuckte die Achseln.
- Sie waren, wie Gedichte gewöhnlich sind.
- Wie denn?
- Uninteressant.
Schweigend gingen sie weiter. Jesper Humlins Gefühl von Unbehagen und Bedeutungslosigkeit wuchs mit jedem Schritt, den sie in dem kalten Wind taten.
Als sie am Boxklub ankamen, flackerten ein paar Windlichter vor der Tür, die angelehnt war. Bevor sie eintraten, hielt Jesper Humlin Pelle Törnblom zurück.
- Was wird von mir erwartet?
- Du bist der Ehrengast.
- Ich frage, was erwartet wird.
- Daß du dich wie ein Ehrengast benimmst.
- Ich weiß nicht, wie sich ein Ehrengast benimmt.
- Du beantwortest Fragen. Gibst Autogramme. Zeigst, daß du es zu würdigen weißt.
- Wer bin ich eigentlich für sie?
Pelle Törnblom schien von der Frage überrascht und überlegte, ehe er antwortete.
- Ein Mensch aus einer fremden Welt. Du kommst aus Stockholm, aber du könntest ebensogut von einem Planeten in einer fernen Milchstraße zu Besuch gekommen sein.
Wie Jesper Humlin befürchtet hatte, reagierte Andrea mit Wut, als Pelle Törnblom anrief und mitteilte, sein Auto hätte eine Panne. Trotz des Getöses von dem Zigeunerorchester konnte Jesper Humlin Andreas Stimme hören. Wie eine
Feuerflamme umgab sie Pelle Törnbloms Kopf. Er riß den Hörer vom Ohr, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.
- Was ist passiert?
- Sie hat mir nicht geglaubt.
- Was habe ich gesagt? Pelle Törnblom gab sich geschlagen. - Wir hätten ins Freie gehen sollen, als wir angerufen haben. - Du hättest ins Freie gehen sollen. Du hast angerufen.
- In einem Auto, das auf der Landstraße liegengeblieben ist, klingt es kaum wie in einem Zigeunerorchester.
- Was hat sie gesagt?
- Sie hat von einem Buch gesprochen, das sie schon heute abend anfangen wollte zu schreiben.
- Sag nichts weiter. Ich will es nicht wissen.
Jesper Humlin hatte sich vorgenommen, auf dem Fest, zu dem er so überraschend als Ehrengast geschleppt worden war, nichts zu trinken. Aber jetzt warf er alle Hemmungen über Bord. Irgendwo muß man sein letztes Mahl einnehmen, dachte er. Das Nachtmahl vor dem Hinscheiden kann man auch in einem Boxklub zu sich nehmen. Er fing an zu trinken, anfangs langsam und systematisch, dann immer hemmungsloser. Er und Pelle Törnblom tranken als einzige Wein, die anderen hatten Limonade in den Händen. Pelle Törnblom stellte ihn verschiedenen Menschen vor, allesamt Einwanderer, und viele von ihnen sprachen so schlecht Schwedisch, daß Jesper Humlin nicht verstand, was sie sagten. Aber immerzu waren Leute da, die mit ihm reden wollten, die meisten jung, und er mobilisierte seine gesamte Geduld, um ihre Fragen zu beantworten, wenn es ihm erst einmal gelungen war zu verstehen, was sie wollten. Dann zog ihn jemand zum Tanzen in den Ring. Jesper Humlin verabscheute es zu tanzen, er hatte es nie gekonnt und die Leute immer beneidet, welche die Kunst beherrschten, raffinierte Bewegungen zur Musik zu machen. Als er aus dem Ring klettern wollte, stolperte er über die Seile und stürzte.
Aber da er mittlerweile stark betrunken war, landete er weich, ohne sich zu verletzen. Amanda führte
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