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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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kleidete sich an, bestellte ein Taxi und sah im Garderobenspiegel, daß die Sonnenbräune aus der Südsee bereits am Verblassen war. Das Taxi wurde von einer Frau gefahren, die sich in der Innenstadt überhaupt nicht auskannte. - Ich bin Stockholmerin der dritten Generation, sagte sie munter, nachdem sie weite Umwege gefahren war, um von der richtigen Seite in die Einbahnstraße einzubiegen, in der Märta Humlin wohnte. Ich bin in der Stadt geboren, aber ich finde mich trotzdem nicht zurecht.
    Als sie ankamen, zeigte sich, daß sie kein Wechselgeld hatte. Und Jesper Humlins Kreditkarte funktionierte auch nicht. Es endete damit, saß sie seine Kontonummer aufschrieb und hoch und heilig versprach, ihm das Wechselgeld zu überweisen.
    In der Wohnung hatte Märta Humlin Austern aufgetischt. Jesper Humlin mochte keine Austern.
    - Warum hast du Austern gekauft?
    - Damit ich meinen Sohn zu etwas Besonderem einladen kann. Ist es dir nicht recht?

- Du weißt, daß ich keine Austern mag.
    - Das hast du nie gesagt.
    Er sah ein, daß es sinnlos war, die Sache weiter zu diskutieren. Statt dessen erzählte er von der Idee, die ihm gekommen war, als er in Göteborg war. Es war vorgekommen, daß seine Mutter ihm sowohl gute Ideen als auch anregende Gesichtspunkte für seine Bücher geliefert hatte.
    - Das klingt nach einem glänzenden Einfall.
    - Findest du wirklich?
    - Du weißt, daß ich meine Ansichten immer offen zum Ausdruck bringe.
    - Ach. Andere Personen, mit denen ich gesprochen habe, waren gegenteiliger Auffassung.
    - Du mußte auf das hören, was ich sage. Ich finde, du solltest über dieses Mädchen aus Indien schreiben. Es kann ebenso pittoresk wie romantisch werden. Ist es eine Liebesgeschichte? - Sie ist ebenso häßlich wie dick. Außerdem kann ich keine Liebesromane schreiben.
    Märta Humlin sah ihren Sohn scharf an.
    - Ich dachte, du willst dich bemühen, etwas Neues zu schaffen?
    - Ich will darüber schreiben, wie es ist.
    - Und wie ist es? Warum ißt du keine Austern?
    - Ich bin schon satt. Ich will darüber schreiben, wie schwer es ist, in ein fremdes Land zu kommen und zu versuchen, Wurzeln zu schlagen.
    - Wer um Himmels willen ist daran interessiert, von fetten Mädchen mit Kopftuch in einem Vorort zu lesen?
    - Ich glaube tatsächlich, es sind ziemlich viele.
    - Wenn du tust, was ich sage, ist es eine gute Idee. Wenn nicht, finde ich, du solltest die Finger von der ganzen Sache lassen. Außerdem weißt du nichts darüber, wie es ist, als Fremder in ein Land zu kommen. Warum habt ihr euch noch keine Kinder angeschafft, Andrea und du?

- Wir sind dabei.
    - Andrea behauptet, daß ihr sehr selten miteinander schlaft.
    Jesper Humlin ließ die kleine Gabel fallen, mit der er in der Auster herumstocherte, die er nicht haben wollte.
    - Redet sie mit dir über solche Sachen?
    - Wir haben ein sehr offenes und vertrauensvolles Verhältnis.
    Das versetzte Jesper Humlin einen Schock. Andrea hatte sich oft über Märta Humlins grenzenlose Egozentrik beschwert. Jetzt stellte sich also heraus, daß sie eigentlich ein ganz anderes Verhältnis zu der Frau hatte, die seine Mutter war und ihn zwang, Austern zu essen.
    - Ich komme nie wieder her, wenn du und Andrea weiterhin hinter meinem Rücken miteinander redet.
    - Wir wollen nur dein Bestes.
    Plötzlich fiel Jesper Humlin das Telefongespräch ein, das sie vor wenigen Tagen geführt hatten. Er dachte nicht daran, sich in ein sinnloses Räsonnement über das, was Andrea und seine Mutter zueinander sagten oder nicht sagten, verwickeln zu lassen. Was er jetzt erfahren hatte, war genug.
    - Was für eine wichtige Mitteilung wolltest du mir machen? - Welche Mitteilung?
    - Du hast angerufen und gesagt, du müßtest mich unbedingt allein treffen, um mir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen.
    - Daran kann ich mich nicht erinnern.
    - Falls du dein Testament ändern und deinen Kindern kein Geld hinterlassen willst, möchte ich, daß du es sagst.
    - Ich entscheide selbst, was im Testament steht.
    - Wenn wir Kinder haben wollen, wäre eine gewisse finanzielle Sicherheit nicht unwillkommen.
    - Sitzt du da und wünscht mir das Leben aus dem Leib? Jesper Humlin legte die Gabel weg. Es war sehr spät.
    Aber seine Mutter sprühte noch vor Energie.

- Ich muß jetzt nach Hause. Ich bin müde und will nicht mitten in der Nacht mit dir über Geld diskutieren.
    Pikiert sah Märta Humlin ihn an.
    - Nie hätte ich gedacht, daß ich einen Sohn bekomme, der ständig darüber klagt, daß er müde ist. Das

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