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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Bier, das er am Flughafen zu trinken gedachte.
    - Sie wird gar nichts verstehen.
    - Für meine Boxer und die anderen, die da waren, hat dein Besuch viel bedeutet.

Jesper Humlin antwortete nicht. Er dachte an das dicke Mädchen, Leyla. Und an die Idee, die ihm am Abend zuvor gekommen war. Aber jetzt, in dem fahlen Licht des verkaterten Morgens, konnte er nicht mehr beurteilen, ob die Idee gut war oder nicht. Und das machte ihm plötzlich mehr angst als der Gedanke daran, was Andrea sagen würde, wenn er nach Hause kam.

5
    A lle waren gegen seine Idee. Jedoch aus unterschiedlichen
    Gründen, die sie mit gewaltiger Energie auf ihn niederprasseln ließen. Andrea war wie erwartet wütend darüber, daß er über Nacht in Göteborg geblieben war und wollte zunächst kein Wort von seinem neuen Plan hören.
    - Du bist ein durch und durch unzuverlässiger Mensch, den nur interessiert, wie er untreu sein kann, ohne daß ich es merke. - Ich bin dir nicht untreu.
    - Wer ist Amanda?
    Jesper Humlin sah Andrea verdutzt an. Sie saßen einige Tage nach seiner Rückkehr aus Göteborg beim Essen in ihrer Wohnung in Hagersten.
    - Amanda ist mit einem guten alten Freund von mir verheiratet, einem Boxtrainer.
    - Seit wann kümmert es dich, ob die Frauen, hinter denen du her bist, verheiratet sind oder nicht? Du hast heute nacht ihren Namen gemurmelt.
    - Das hat nichts zu bedeuten. Was aber etwas bedeutet, ist, daß ich Lust habe, ein Buch über Einwanderer zu schreiben, und zwar unter deren Mitwirkung.
    - Was befähigt dich dazu?
    - Ich bin immerhin Schriftsteller.
    - Bald sagst du wahrscheinlich auch noch, daß du einen Kriminalroman schreiben wirst.
    Entsetzt sah Jesper Humlin sie an.
    - Warum sollte ich?
    - Weil du anscheinend glaubst, daß du über jedes beliebige Thema schreiben kannst, ohne dich anzustrengen. Ich finde, du

Abrupt beendete Jesper Humlin den Versuch, Andrea seine Idee plausibel zu machen. Der Rest des Abends, bis sie sich zur Nachtschicht ins Krankenhaus begab, drehte sich um seinen mangelnden Ernst angesichts der Frage, ob sie Kinder haben sollten. Bevor sie ging, versprach er, bis zum nächsten Morgen zu bleiben und sie zu erwarten, wenn sie von der Arbeit wiederkam.
    Kaum hatte sie die Wohnung verlassen, ging er ins Schlafzimmer und durchsuchte ihre Papiere und Tagebücher. Er fand eine Skizze in Form eines an sie selbst gerichteten Briefes, der eine ihrer früheren Kontroversen beschrieb, und setzte sich ins Wohnzimmer, um ihn gründlich zu lesen. Wieder regte sich seine Besorgnis. Andrea schrieb gut, unnötig gut, dachte er. Mit einer Grimasse legte er die Papiere weg. Sein erster Gedanke war, unverzüglich Schluß zu machen, oder ihr wenigstens damit zu drohen. Aber er konnte die Folgen nicht einschätzen.
    Getreu seiner Gewohnheit las er anschließend ihr Tagebuch. Es war ein altes Modell, für Teenager gedacht. Aber er wußte, wie er das Schloß mit einer Haarnadel aufbekam, und hatte keine Skrupel dabei. Er überflog die Aufzeichnungen, die sie seit seiner letzten Inspektion des Tagebuchs gemacht hatte. Das meiste war ziemlich uninteressant, da es von ihren Problemen am Arbeitsplatz handelte. Nur wenn es um ihre Gedanken über die Ehe und um den Kinderwunsch ging, studierte er sorgsam ihre fahrige und schwer zu entziffernde Schrift. Eine Formulierung fraß sich in seinem Kopf fest. Ich muß mich in jedem Augenblick fragen, was ich will. Führt man seinem Willen nicht ständig neuen Brennstoff zu, verkümmert er. Sogleich beschloß er, diese Worte in seinem eigenen Arbeitsbuch zu notieren, in dem er Einfälle sammelte. Ein Gedicht über den Willen hatte er noch nicht geschrieben. Ihre Formulierung war ausbaufähig und könnte als Material für eine

Strophe dienen, die dann in die Gedichtsammlung des nächsten Jahres aufgenommen werden konnte.
    Nach dem Einbruch in ihr Tagebuch war ihm leichter ums Herz, er holte sich in der Küche ein kleines Glas Grappa und legte sich dann mit einer ihrer Modezeitschriften, die er heimlich las, aufs Sofa.
    Jesper Humlin, erschöpft von dem langen Streit mit Andrea, wollte gerade zu Bett gehen, als seine Mutter anrief.
    - Wolltest du nicht heute abend herkommen?
    - Ich bin schon zu Bett gegangen. Ich bin müde. Wenn es dir recht ist, könnte ich morgen kommen.
    - Ist Andrea da?
    - Sie arbeitet.
    - Das solltest du auch tun. Es ist ja erst halb zwölf! Ich habe ein kleines Souper für uns hergerichtet. Zum Einkaufen war ich extra in einem Delikateßgeschäft.
    Jesper Humlin

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