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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hast du von deinem Vater geerbt.
    Dann begann sie sich darüber auszulassen, wie müde ihr Mann immer gewesen sei, und Jesper Humlin blieb sitzen, bis es drei Uhr morgens war. Um nicht von Andrea geweckt zu werden, legte er sich in ihrem Wohnzimmer hin und steckte sich Stöpsel in die Ohren. Es dauerte mehrere Stunden, ehe er einschlief. Wieder und wieder kehrte die Erinnerung an das Mädchen zurück, das Tea-Bag hieß.
    Am nächsten Tag, spätnachmittags, ging er zu seinem Verlag, fest entschlossen, seinen Verleger davon zu überzeugen, daß die Idee, mit der er sich trug, gut war. Er hatte eine Mütze in die Tasche gesteckt, weil er mit der Möglichkeit rechnete, längere Zeit in Olof Lundins eiskaltem Zimmer zu verbringen. Der Verleger befand sich in seinem Rudergerät, als Jesper Humlin zur Tür hereintrat.
    - Ich bin soeben an Aland vorbeigerudert, sagte Olof Lundin. Wie geht es mit dem Kriminalroman? In einer Woche muß ich einen Titel haben. Wir werden bald anfangen, ihn zu lancieren. Jesper Humlin antwortete nicht. Er setzte sich in den Stuhl, der am weitesten vom Ventilator entfernt stand. Als Olof Lundin mit dem Rudern aufhörte, steckte er eine Nadel mit farbigem Kopf in eine Seekarte der mittleren Ostsee, die an der Wand hing. Er zündete sich eine Zigarette an und setzte sich hinter den Schreibtisch.
    - Ich nehme an, du bist gekommen, um mir einen Titel zu nennen?
    - Ich bin hier, um mitzuteilen, daß ich niemals einen Kriminalroman schreiben werde. Allerdings habe ich eine andere Idee.

- Die ist schlechter.
    - Wie kannst du das wissen, ehe ich etwas gesagt habe?
    -
    Nur
    Kriminalromane
    und
    gewisse
    pikante Bekenntnisromane verkaufen sich in mindestens 50000 Exemplaren.
    - Ich will ein Buch über ein Einwanderermädchen schreiben. Interessiert sah Olof Lundin ihn an.
    - Einen Bekenntnisroman also? Seit wann hast du ein heimliches Verhältnis?
    Jesper Humlin zog seine Mütze über die Ohren. Er fror so, daß er zitterte.
    - Was für eine Temperatur herrscht eigentlich in diesem Zimmer?
    - Plus ein Grad.
    - Das ist doch völlig unerträglich. Wie kannst du hier drinnen arbeiten?
    - Man muß sich abhärten. Was ist übrigens mit deiner Sonnenbräune passiert?
    - Nichts weiter, als daß es in diesem Land nur regnet. Willst du nun meine Idee hören oder nicht?
    Olof Lundin breitete die Arme in einer Geste aus, die Jesper Humlin als eine Mischung aus Offenheit und Desinteresse deutete. In dem Gefühl, vor einem Gericht zu stehen, das alle, die keine Kriminalromane schrieben, schon vorab verurteilt hatte, legte er seine Gedanken dar. Olof Lundin steckte sich eine weitere Zigarette an und maß seinen Blutdruck. Als Jesper Humlin nichts mehr zu sagen hatte, lehnte sich der Verleger im Stuhl nach hinten und schüttelte den Kopf.
    - Dieses Buch wird sich in 4320 Exemplaren verkaufen.
    - Wie kannst du das wissen?
    - Es gehört zu dieser Kategorie. Außerdem kannst du nicht über dicke Einwanderermädchen schreiben. Du weißt nichts von ihrem Leben.
    - Gerade das will ich doch herausfinden.

- Sie werden dir niemals die Wahrheit erzählen.
    - Warum nicht?
    - Weil ich es sage. Es ist meine Erfahrung, die spricht. Olof Lundin setzte sich auf seinem Stuhl ruckartig auf und ließ die Handflächen auf die Tischplatte prallen.
    - Was du schreiben sollst, ist ein Kriminalroman. Nichts anderes. Laß diese fetten Mädchen in Ruhe. Du brauchst sie nicht, und sie brauchen dich nicht. Was uns fehlt, ist ein Kriminalroman von deiner Hand, und dann, daß ein eingewandertes junges Schriftstellertalent den großen Roman über das neue Land Schweden schreibt. In einer Woche will ich den Titel haben.
    Olof Lundin stand auf.
    - Es ist immer wieder nett, mit dir zu reden. Aber jetzt wartet ein Treffen mit den Direktoren des Ölkonzerns. Sie haben bereits mit Entzücken zur Kenntnis genommen, daß du nächstes Jahr einen Kriminalroman vorlegen wirst.
    Olof Lundin stürmte aus dem Zimmer. Jesper Humlin ging zu einer Konditorei in der Nähe des Verlagshauses und trank einen Kaffee, um sich wieder aufzuwärmen. Flüchtig erwog er, mit Viktor Leander über seine Idee zu sprechen. Aber er sah ein, daß er es besser bleiben ließ. Wenn sein Einfall so gut war, wie er glaubte, würde Viktor Leander ihn sofort klauen.
    Er nahm ein Taxi nach Hause und stellte zu seiner Erleichterung fest, daß weder Andrea noch seine Mutter eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen hatten. Nachdem er mit zunehmendem Widerwillen einige seiner

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