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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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die ausstehende und die anstehende Miete zu beschaffen. Im Wettlauf mit der Zeit suchte sie die erste Woche vergeblich eine Anstellung. Erst traurig, dann verbittert und zum Schluss wütend auf ihren Mann, den Versager, fand sie endlich, am Ende der zweiten Wochen eine Anstellung als Wäscherin, die sie sich erbettelte.
    Doch trotz harter Arbeit reichte das Geld hinten und vorne nicht für die Miete. Hatte sie die ausstehende Miete zusammengekratzt, blieb ihr nicht mehr genug für die Anstehende. Hatte sie die Anstehende, fehlte wieder die Ausstehende. So wiederholte sich ein Jahr lang, Monat für Monat, das Spiel mit dem Vermieter, solange, bis der sich gezwungen sah, Agatha Beinhard die Wohnung zu kündigen.
    Dieser Ungerechtigkeit hilflos ausgeliefert, bewarf sie ihn mit den soeben eingekauften Tomaten und zog ihm obendrein eine Salatgurke über den Kopf. Schnell trat der Vermieter den Rückzug an, weshalb ihn Agatha obendrein noch als Feigling beschimpfte.
    Ihr Sohn Ben, damals eineinhalb Jahre alt, fand das Spiel überaus lustig. „Feiflin, Feiflin“, rief er sein neu erlerntes Wort fröhlich vor sich hin, griff sich eine Tomate und warf sie so weit, wie es seine kleinen Ärmchen vermochten, dem Feiflin hinterher. Kaum landete dieser herrlich rote Ball platschend auf dem Boden, fing er sich eine schallende Ohrfeige von seiner Mutter ein.
    Ob sie ihm denn nicht beigebracht habe, dass man mit Essen nicht spielen durfte, schimpfte sie ihren Sohn aus.
    Ängstlich verkroch er sich unter dem Esstisch und verlor ein winziges Stück Liebe zu seiner Mutter.
    Ihr Chef, der nicht viel, also eigentlich gar nichts, von arbeitenden Frauen hielt, machte sich einen Spaß draus, seiner neuen Angestellten das Leben noch saurer zu machen, als es ohnehin schon war. Er ließ Agatha Beinhard die schweren Wäschekörbe mit dem Rad abholen und auch wieder bringen. Schickte sie in den Heizraum, um Kohle für die Waschtrommeln nachzulegen, oder ließ sie an der Mangel schuften, die wegen des Gasdrucks nur nachts betrieben werden konnte. Wenn sie wie ein Mann arbeiten wollte, fand ihr Chef, sollte sie auch die Arbeiten eines Mannes erledigen.
    Wenigstens reichte das Gehalt für das kleine Zimmer, das sie für sich und ihren Sohn fand, gerade so, dass sie nicht gekündigt werden konnte. Es war nicht leicht für Agatha. Das Zimmer, in dem sie schliefen, aßen und kochten, blieb meist kalt, da sie sich die Heizung, wegen des Geldmangels, nicht anzumachen traute; zu essen gab´s das, was sie auf den wackeligen Tisch stellte, und das war meistens Reissuppe. Ihr Selbstmittleid, in welch ungerechtes Leben sie hineingeboren war, wurde zu einem grenzenlosen Dauergejammer. Umso mehr Jahre ins Land zogen, desto griesgrämiger und verbissener wurde Agatha.
    Der kleine Ben wuchs an der Seite seiner herrischen Mutter heran; acht Jahre später warf dieses pubertierende Kind ihr vor, den Vater aus dem Hause getrieben zu haben.
    Die schallende Ohrfeige, die sie ihm verabreichte, tat ihr nicht leid. Was wusste dieses Kind denn schon von seinem saufendem Vater? War nicht er es gewesen, der seinen Vater mit seinem Geschrei aus dem Hause getrieben hatte? Von da an war das bisher angespannte Verhältnis noch etwas angespannter.
    Ben verlor ein weiteres Stück Liebe zu seiner Mutter.
     
    Zehn lange Jahre hatte sie von ihrem Ehemann, dem Versager nichts gehört, bis er eines Tages, mir nichts, dir nichts, vor ihrer Türe stand. Er hätte eine Auszeit gebraucht, weil sie doch so früh geheiratet und das Kind bekommen hätten, meinte er, aber nun sei er für eine Familie bereit.
    Da Agatha jedoch der Meinung war, dass er seine Auszeit nun für den Rest seines Lebens haben könnte, scheuchte sie ihn unter einer großen Schimpftirade die Treppen hinunter und aus dem Haus hinaus.
    So ging er erneut zum Zigarettenholen, doch dieses Mal kam er nicht mehr zurück.
    Und Ben, der sich über den Besuch seines verschollenen Vater gefreut hatte, verlor ein weiteres Stück seiner Liebe zu seiner Mutter.
    Wäre nicht die herzensgute Nachbarin Tanja Schlüter gewesen, die eine Tochter in Bens Alter hatte, wäre er womöglich seinem Vater hinterhergelaufen. Alles wäre für ihn besser gewesen, als bei seiner Mutter zu bleiben.
    Voller Anteilnahme für das schwere Schicksal des Jungen, hütete Tanja Schlüter, während Agatha in der Wäscherei die schmutzige Wäsche der anderen wusch, den kleinen Ben. Das hatte sie getan, seitdem Agatha und Ben neben ihre Wohnung gezogen

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