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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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bemerkt worden war? Nein, schüttelte sie den Kopf. Sicherlich nicht. Neugierig geworden, öffnete sie ihre Tür einen Spalt und blickte den Flur hinauf und hinunter. Auch zu sehen war nichts Ungewöhnliches.
    Einigermaßen erstaunt, wagte sich Esther in ihrem Nachthemd einen Schritt aus ihrem Zimmer heraus und konnte sich nur wundern. Nirgends war ein Polizist auszumachen; die frühmorgendliche Routine wurde durch scheinbar nichts unterbrochen. Nach und nach traten die ersten Senioren auf den Gang hinaus und schlappten freundlich grüßend an ihr vorbei. Die pünktliche Einnahme des Frühstücks wurde ganz offensichtlich auch vom Tode von Frau Weber nicht unterbrochen.
    Kurz überlegte Esther, ob sie sich ebenfalls an ihren Tagesablauf wie gewohnt halten sollte, doch dann machte sie kehrt, zog sich in aller Eile ihre Kleidung über und spritzte sich noch etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Sie wollte sich selbst von der Normalität überzeugen und machte sich auf den Weg. An der Türschwelle von Frau Weber blieb sie stehen.
    Schwester Ludowika hatte bereits die Vorhänge zurückgezogen und das große Flügelfenster geöffnet. Ein frischer Morgenwind zog durch das Zimmer.
    Esther warf einen kurzen Blick auf das leere Bett. Nichts schien auf das nächtliche Drama hinzuweisen. Gerade zog eine Praktikantin das Bett ab, schüttelte etwas die Decke und das Kissen auf und warf sie über die Fensterbrüstung zum Lüften.
    „Dass es so schnell mit Frau Weber zu Ende geht - Gott hab sie selig – hätte ich nicht erwartet“, resümierte Schwester Ludowika. „Aber sei's drum, lassen Sie uns an die Arbeit gehen, in zwei Tagen ist dieses Zimmer wieder belegt!“
    Höflich nickte die Praktikantin und tat, wie ihr geheißen. Als sie den Bezug der Matratze abstreifte, dessen Flecken sie nicht näher in Augenschein nahm, fing sie Esthers Blick auf.
    „Kann ich helfen?“, sprach sie Esther an und unterbrach ihre Tätigkeit. Mit einem dumpfen Knall schnalzte die Matratze zurück auf den Lattenrost.
    Erschrocken starrte Esther die Praktikantin an und machte sich ohne ein weiteres Wort aus dem Staub. Den verwunderten Blick, der ihr folgte, bemerkte sie nicht.
    Schwester Ludowika zuckte mit den Schultern. Ältere Menschen seien manchmal ein wenig sonderbar, erklärte sie. Außerdem wäre Esther mit Frau Weber befreundet gewesen, weshalb das sonderbare Verhalten genau genommen doch nicht so sonderbar sei.
     
    Unterdes eilte Esther, so schnell ihre Arthrosebeine sie tragen konnten (heute war es besonders schlimm), zu Ingrid van Brekelkam in den Frühstücksraum im Erdgeschoss.
    „Stell dir vor! Frau Weber ist schon weg!“, flüsterte Esther atemlos, als sie Ingrid erreicht hatte.
    „Ja, sie weiß schon. Alles ist in Ordnung.“ Genussvoll wandte sie sich ihrem Teller zu.
    Einigermaßen überrascht war Esther über Ingrids Ruhe. „Meinst du wirklich?“
    „Hmm“, kaute Ingrid van Brekelkam weiter auf ihrer Semmel herum. Sie lächelte Esther an und bedeutete ihr, sich zu setzen und sich zu beruhigen. „Hat sie ihr nicht gesagt, dass alles gut ist?“
    Esther schüttelte sich die sorgenvolle Nacht ab. Ach hätte sie doch nur ein klein wenig von Ingrids Sorglosigkeit! Aber realistisch darüber nachgedacht, und so wie sich die Situation eben dargestellt hatte, hatten sie wahrscheinlich doch allesamt Chancen, nicht im Gefängnis zu landen. Wäre da nur nicht ihr Gewissen, das immer noch darauf beharrte, einen Mord begangen zu haben. Nervös brachte sie ihren Tag damit zu, nicht an Frau Weber zu denken und ihren gewohnten Tagesablauf nicht unnötig durcheinanderzubringen.
    Doch am Ende des Tages war sie wieder auf dem Stand wie gestern Abend. Es war und blieb ein Mord, da ließ sich nichts beschönigen.
     
     
     
     

24
     
     
    Der Tag war ausgesprochen sonnig; der Frühling ließ die Knospen der Rhododendren in all seiner Farbenpracht aufspringen. Auf den Bänken saßen die ersten Senioren und hielten ihre Gesichter in die Sonne.
    Wie üblich bei schönem Wetter hatte Balthasar Sebastian Rohrasch Polster auf die Bänke auflegen lassen, um die empfindlichen Nieren seiner Leutchen zu schützen.
    Auf den ersten Blick hatte man ein sehr idyllisches Bild vor sich, auf den zweiten Blick im Übrigen auch. Und hätte die naturverbundene Esther nicht ausgerechnet gestern Nacht den letzten Atemzügen von Frau Weber beigewohnt, hätte sie sich sicherlich an der Blütenpracht erfreut.
    Als sich Esther Friedrichsen, es war der zweite ungerade

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