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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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setze sie als Spende für wohltätige Zwecke von der Einkommensteuer ab. Und wohin möchtest du jetzt gehen?«
    »Zur nächsten Toilette, wenn du es genau wissen willst. Von hier aus ist Onkel Jems wahrscheinlich die nächste.«
    Männer mit schwangeren Gattinnen gewöhnen sich entweder irgendwann an die Besonderheiten der weiblichen Physiologie oder verbringen neun Monate mit schamrotem Kopf. Max war nur schwer aus der Fassung zu bringen. Er nahm einfach Sarahs Arm, geleitete sie über die unebenen Backsteinbürgersteige wohlbehalten zur Pickney Street und lenkte sie dabei die ganze Zeit mit unanständigen Witzen ab. Glücklicherweise wartete der Aufzug schon unten in der Eingangshalle, so daß sie im Handumdrehen in Jems Wohnung waren. Als Jeremy Kelling von seinem Diener Egbert erfuhr, daß Besuch gekommen sei, beschloß er, endlich aufzustehen. Gut gelaunt trat er aus seinem Schlafzimmer, angetan mit einem eleganten, tabakfarbenen Morgenrock aus Samt, mit schwarzem Umschlagkragen und ebensolchen Ärmelaufschlägen und einem dicken Schärpenknoten, der dekorativ auf seinem runden Bäuchlein prangte.
    »Einen wunderschönen guten Morgen allerseits. Was verschafft mir die Ehre?«
    »Der delikate Zustand deiner Nichte«, teilte Max ihm mit. »Sarah läßt sich kurz entschuldigen. Wir waren eben in Chester A. Arthurs Zimmer und haben uns seine Habseligkeiten angesehen. Wir haben dich doch hoffentlich nicht geweckt?«
    »Ganz im Gegenteil, mein Junge. Ich ruhte nur und meditierte. Glaube ich jedenfalls. Vielleicht habe ich auch gegrübelt. Chet Arthurs Habseligkeiten, sagst du? Habt ihr etwa noch mehr Kokain gefunden? Du willst mir doch sicher nicht mitteilen, daß es sich bei dem Zeug wider Erwarten nur um Flohpulver gehandelt hat?«
    »Nein, ganz im Gegenteil, es war Heroin.«
    »Heroin? Wie déclassé. Max, das ist ja grauenhaft. Hat dein Chemiker es schon der Polizei gemeldet?«
    »Nein, ich habe ihm versprochen, daß ich diesen Teil selbst übernehme.«
    »Und, wirst du?«
    »Früher oder später werde ich es wohl müssen. Leider gibt es inzwischen noch ein zusätzliches Problem.«
    Max zeigte ihm die Dokumente, die Sarah und er hinter dem Spiegel gefunden hatten. Jeremy Kelling begriff die ungeheuren Konsequenzen dieser Entdeckung auch ohne weitere Erklärungen.
    »Beim Geiste Casars! Wahrscheinlich ist er in Mary verliebt gewesen und hat sich eingebildet, er könnte sie Dolph abspenstig machen, sobald er genug Geld angehäuft hätte. Und hat dann die einzige Gelegenheit beim Schopf gepackt, die einem Mann in seiner Lage bleibt, um möglichst schnell an das nötige Kleingeld zu kommen.«
    Max starrte seinen Schwiegeronkel entgeistert an. »Verdammte Hacke! In dem Licht habe ich die Sache noch gar nicht gesehen.«
    »Das kommt daher, daß du von Herzensangelegenheiten nichts verstehst, mein Junge.«
    »Wer sagt das?« wollte Sarah wissen, die sichtlich erfrischt von ihrem kurzen Badezimmerausflug zurückkehrte.
    »Meine liebe Sarah«, sagte ihr Onkel, »eine hübsche Vertreterin des anderen Geschlechts zu ehelichen und zu schwängern ist noch lange kein Beweis für eine große Leidenschaft.«
    »Das ist doch barer Unsinn, Onkel Jem. Wie seid ihr überhaupt auf das Thema Leidenschaft gekommen?«
    »Jem meint, Chet Arthur sei in Mary verliebt gewesen und unter die Drogendealer gegangen, weil er vorhatte, sie später mit dem unrechtmäßig erworbenen Zaster von Dolph wegzulocken«, erklärte Max. »Klingt irgendwie schlüssig.«
    »Wirklich eine geniale Theorie«, gab Sarah zu, »aber Chet Arthur müßte vollkommen hirnverbrannt gewesen sein, wenn er auch nur eine Minute geglaubt hätte, das es funktionieren könnte.«
    »Ach, ich weiß nicht«, argumentierte Jem. »Dolph ist schließlich kein Rudolph Valentino, wie Mary selbst gestern abend zugegeben hat. Ich kann ohnehin nicht verstehen, was eine Frau wie Mary an so einem Einfaltspinsel findet.«
    »Onkel Jem, Mary Smith war schließlich auch kein Vamp wie Theda Bara. Die Dame hieß doch Theda Bara, oder? Mary ist eine wunderbare Frau, aber kannst du sie dir etwa als Femme fatale vorstellen?«
    »Meine persönliche Vorstellung von Mary tut nichts zur Sache. Wichtig ist allein, wie dieser irregeleitete Trottel Arthur sie gesehen hat. Man denke nur an Don Quichote und Dulcinea!«
    »Das ist unfair. Das sind literarische Gestalten.«
    »Gut, dann nehmen wir eben Samuel Johnson und seine Titty. Oder den lieben Dolph. Er hat damals nur einen einzigen stieren Blick auf

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