Tegernseer Seilschaften
Anne.
»Ja, schon«, brummte der Fischer Hörwangl und sinnierte darüber, dass er schon sehr weit zurückdenken musste, um sich an einen Polizisten am Tegernsee zu erinnern, der im Dienst Alkohol getrunken hatte â und eine Bier trinkende Polizistin war ihm überhaupt noch nie untergekommen. Aber vielleicht war das junge hübsche Fräulein ja gar nicht im Dienst. Eine Uniform hatte es nicht an, sondern so ein eng anliegendes Laufhemd, das auch ihn, der er immerhin schon dreiundfünfzig Jahre alt und davon dreiÃig verheiratet war, noch auf einige interessante Ideen bringen konnte. Ein Tegernseer Mann blieb schlieÃlich, auch wenn er älter wurde, ein Mann mit Sinn für die Schönheit der weiblichen Formen und Besonderheiten. Das Bier kam recht schnell, und so hob er sein Glas und sagte »Prost«. Man trank.
»Wie oft treffen Sie sich hier am Stammtisch?«, wollte Anne wissen.
»Mindestens einmal in der Woche«, erwiderte Amend, der auch etwas sagen wollte.
»â¦Â und dann halt, wenn man Zeit hat, also manchmal auch jeden Tag«, fügte Hörwangl hinzu.
»Und wie oft war Ferdinand Fichtner mit dabei?«
»Ja genau so, wie mirâs gradâ gesagt haben.«
»Also fast jeden Tag?«
»Ja schon, als Landwirt hat derâs ja leichter, seinen Tag einzumteilen, als wie jetzt zum Beispiel ich als Bootsführer«, erklärte Amend wichtigtuerisch. »Ich habe ja Dienst- und Fahrpläne, an die ich mich halten muss.«
»Und können Sie sich vorstellen, warum sich der Herr Fichtner umgebracht haben könnte?«
»Na«, sagte Hörwangl unwillig. »Das ist ein Armutszeugnis, gerade auch für einen vom Bund der Kammerjäger.«
Anne suchte erstaunt seinen Blick: »Wie meinen Sie das mit den Kammerjägern?«
»Ach so, das ist â¦Â«, Hörwangl merkte, dass er sich verplappert hatte, »â¦Â das ist nur so ein Spaà von uns. Was ich aber wirklich sagen will, ist, dass ein Tegernseer Mann zunächst einmal ein Mannsbild ist, das wo sich nicht selbst umbringt. Wenn mir zurückschauen in die Vergangenheit von unserm Tal, dann sieht man: Mir haben noch immer alles durchgestanden.«
»Mit vereinter Kraft, auch in mageren Zeiten«, fügte jetzt der Bauer Nagel, der bislang geschwiegen hatte, hinzu und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Halbliterglas.
Anne trank auch einen Schluck, spürte aber, dass ihr davon schummrig wurde. Dann fragte sie: »Was gab es denn in der letzten Zeit so durchzustehen, hier, für Sie?«
Keiner der Männer antwortete. Annes Blick wanderte von einem zum Nächsten. Nagel rutschte etwas unruhig auf dem Stuhl herum. Anne lieà nicht locker. »Hat Ihr Stammtisch ein Problem?«
»Ach wo«, sagte Hörwangl. »Wir sind nur halt enttäuscht vom Ferdl. Dass er sich aufgâhängt hat.«
»So eine verweiblichte Schwäche!«, schimpfte Amend, ohne aufzuschauen. Ein Landwirt sei schlieÃlich kein Student, kein schwuler, fügte der Bauer Nagel hinzu. Natürlich hätten alle Landwirte der Region mit dem niedrigen Milchpreis und den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu kämpfen, aber der Ferdl hätte ja auch, wie viele andere, auf Biogas, Tourismus oder sonstige Einnahmequellen umsteigen können. Deswegen hätte er sich beileibe nicht umbringen müssen.
»Hat Ferdinand Fichtner mit Ihnen über finanzielle Probleme gesprochen?«
»Nicht direkt«, antwortete Hörwangl und schob ein fragendes »oder?« hinterher.
Die beiden anderen schüttelten, für Annes Begriffe ein wenig zu energisch, den Kopf.
»Was meinen Sie mit âºnicht direktâ¹?«, hakte sie deshalb nach.
»An sich gar nichts. Aber dass es mit der Wirtschaft und besonders der Milchwirtschaft den Bach runtergeht, das steht ja jeden Tag in der Zeitung, nicht?«, so der Fischer.
Die anderen nickten.
»Also meinen Sie, dass sich Herr Fichtner das Leben genommen hat, weil er um seine Existenz fürchtete?«
»Kann schon sein«, meinte Hörwangl.
»So was Verweichlichtes!«, schimpfte Amend. »Ein Tegernseer tut etwas, anstatt sich umzumbringen!«
Da klingelte Annes Handy. »Ja?« Sie lauschte. »Oh, ja, sie hat gestern schon noch ein bisschen gehustet.« Pause. »Nein, ich bin nicht in der Dienststelle. Ich kann sie gleich abholen. Bis gleich.«
Anne machte das Handy aus, kramte aus ihrer
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