Tekhnotma - Zeit der Dunkelheit: Roman (German Edition)
befreien, oder jemand findet ihn und dann, wer weiß?«
»Ihr hättet ihn ins Wasser werfen sollen«, sagte das Mädchen in scharfem Ton und drehte sich weg.
Ich wandte mich an Tschak:
»Ein Boot ist eine gute Idee, aber wir brauchen auch Waffen. Wir wissen ja nicht mal, ob die Pistole noch schießt. Wo kann man hier was kaufen?«
»Die Läden sind im unteren Teil des Riesenrades. Einer gehört den Ljuberzern, die tauschen da ihre Lebensmittel gegen Fischfleisch von den Fischern. In dem anderen Laden wird mit allem möglichen Zeug gehandelt. Wahrscheinlich auch mit Waffen, allerdings kaum mit besonders guten, denn das Dorf ist arm, und es wird fast nur Plunder angeboten.«
»Wir können praktisch alles gebrauchen. Haben wir noch Zeit, da vorbeizugehen, ehe diese Bären-Typen hier einfallen?«
Der Zwerg blickte sich um und drehte seinen Ohrring im Ohr.
»Wer zum Mutant kann das wissen? Eigentlich müsste die Zeit reichen, die Kerle waren noch weit entfernt. Aber verdammter Kriecher noch mal, Mann, mir gefällt es hier überhaupt nicht! Man könnte denken, dass alles friedlich ist, dass abendliche Entspanntheit herrscht und sich kein Mensch für uns interessiert. Aber diese Fischer sind im ganzen östlichen Moskowien dafür bekannt, dass sie üble Burschen sind, skrupellose Mörder. Denkt bloß nicht, dass sie nur Schlammbeißer fischen. In der Regenzeit veranstalten sie richtige Raubzüge. Sie besteigen alle gemeinsam ihre Boote und fahren flussabwärts, bis sie auf eine Siedlung stoßen. Nachts überfallen sie die, bringen alle Bewohner um und nehmen deren Hab und Gut an sich. Ich sage euch, das hier ist ein schlechter Ort.«
»Glaub bloß nicht, dass ich es hier schön finde, aber wir brauchen Waffen, wenigstens eine. Wer weiß, was uns am Ufer erwartet? Wer weiß, wer sich dort rumtreibt?«
»Das stimmt«, gab Tschak zu. »In Moskau sollte man nachts nicht ohne Gewehr unterwegs sein. Zu Wasser ist es ebenso gefährlich wie zu Land.«
Aus den Fenstern der umliegenden Häuser drang Licht, das sich auf der leicht welligen Wasseroberfläche brach. Wir hatten uns schon weit von der Anlegestelle unserer Barkasse entfernt und befanden uns fast unmittelbar unterm Riesenrad.
Plötzlich splitterte mit lautem Knacken eine Planke unter meinem Fuß, ich brach ein und wäre um ein Haar ins Wasser gefallen.
»Sei ein bisschen vorsichtiger, Mensch«, nörgelte der Zwerg. »Das Wasser ist voller Schlammbeißer. Die haben Zähne wie spitze Nadeln, die sind hochgiftig. Wenn sich einer in dich verbeißt und du ihn später wegreißt, bleiben seine Zähne in deinem Fleisch stecken. Dann musst du sie so schnell wie möglich herausziehen, sonst breitet sich das Gift in deinem Körper aus, du schwillst an und stirbst.«
Ich hatte ein wenig schlafen können, nachdem der Motor ausgegangen war und wir langsam auf das Dorf zutrieben, daher fühlte ich mich wieder besser als zuvor. Allerdings verspürte ich heftigen Hunger. Und als ob sie meine Gedanken gelesen hätte, sagte Juna:
»Mir dreht sich schon der Kopf vor Hunger.«
»Wenn der Kutter rechtzeitig losgefahren ist, wird er bald da sein, dann können wir uns den Bauch vollschlagen«, erklärte Tschak. »Schön, schön, schaut mich nicht so an, dann klettern wir eben hoch zu den Läden! Aber alles zackzack, wir kaufen was zu futtern und die erstbeste Knarre und danach kümmern wir uns um ein Boot. Das besorgen wir uns lieber in einer der Hütten dahinten, aber einen Motor kann ich euch nicht versprechen. Und lasst bloß das Gold in der Tasche. Hol das Kleingeld raus … Los, gib es mir. Ich werde bezahlen, und ich werde auch reden, denn ich hab wenigstens Erfahrung mit diesem Volk hier. Ihr beide seid ja so nervös … Sie ist überhaupt lustig, nimmt sich wer weiß wie wichtig, ist gleich beleidigt, bloß weil sie einer ›Schlampe‹ nennt! Und der andere hat keine Erinnerung mehr, an gar nichts … Mit euch hab ich mir vielleicht eine Gesellschaft angelacht!«
»Du hast dich an uns gehängt, nicht wir uns an dich«, bemerkte ich und blieb stehen.
Vor uns lag die schwarze Wasserfläche, der Widerschein der Lichter tanzte darauf. In der Mitte erhob sich das Riesenrad, dahinter gab es keine Häuser und Stege mehr, nur noch Netze und dann begann schon der Fluss, der sich zwischen Ruinen einen Weg bahnte.
Zum untersten Teil des Riesenrades gelangte man über drei breite Stege, die von drei verschiedenen Punkten im Dorf ausgingen. In Richtung des Flusses herrschte eine
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