Temptation: Weil du mich verführst
riesige Faust ihr Herz zusammen.
Nein, sie würde jetzt nicht länger darüber nachdenken. Es war unmöglich, Ians rätselhaftes und komplexes Seelenleben nachzuvollziehen. Allein der Versuch war völlig idiotisch.
Es erstaunte sie ein wenig, dass sie trotz der Trennung ihre Fahrstunden mit Jacob fortgesetzt hatte, doch die Aussicht, den Führerschein zu machen, war zu einer Art fixen Idee geworden. Vielleicht glaubte sie Ians Worten ja doch insgeheim – ein bestandener Führerschein war ein wichtiger Meilenstein auf ihrem Lebensweg, den sie wegen ihrer Probleme als Teenager versäumt hatte. Ihr Drang, endlich hinterm Steuer sitzen zu dürfen, war unmittelbar verknüpft mit dem Wunsch, zum allerersten Mal ernsthaft die Kontrolle über ihr Leben zu übernehmen. Auf der Uni lief es wunderbar, und das Gemälde für Ians Lobby stand kurz vor seiner Vollendung.
Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, statt sich lediglich von einem Tag zum nächsten zu hangeln, wie sie es bisher getan hatte. Es war genauso, wie Ian gesagt hatte: Sie war diejenige, die das Steuer im Leben von Francesca Arno in der Hand haben musste. Und sollte es sich als Irrfahrt entpuppen, wusste sie wenigstens, wer schuld daran war.
Ihre Augen brannten vom langen Lesen. Die reguläre Fahrprüfung hatte sie bereits bestanden, nur der Motorradtest stand ihr noch bevor.
»Und? Alles klar?«, fragte Jacob, der mit der Zeitung in der Hand neben ihr saß. Auf der Zulassungsstelle war die Hölle los, deshalb saßen sie seit fast zwei Stunden hier herum und warteten darauf, dass Francesca endlich zur Prüfung aufgerufen wurde.
»Zumindest, was den schriftlichen Teil angeht«, antwortete sie. »Aber vielleicht hätten wir länger als nur einen Tag auf Ians Motorrad üben sollen.«
»Sie machen das schon«, meinte Jacob beruhigend. »Auf dem Motorrad sind Sie ein noch größeres Naturtalent als hinterm Steuer. Und diese Prüfung haben Sie ja schon mit Bravour bestanden.«
Sie warf ihm einen sarkastischen Blick zu. »Ich habe die Prüfung mit Ach und Krach geschafft. Gleich zum Einstand habe ich einen anderen Autofahrer geschnitten.«
»Aber das war der einzige Fehler«, entgegnete Jacob. Was für ein reizender Mann! , dachte sie.
Sie hörte, wie ihr Name aufgerufen wurde.
»Wünschen Sie mir Glück«, sagte sie und stand auf.
»Das brauchen Sie nicht. Sie schaffen das auch so«, gab er mit größerer Zuversicht zurück, als ihrer Meinung nach angemessen war.
Den praktischen Teil der Fahrprüfung legte sie auf Ians Motorrad ab, einer schnittigen europäischen Maschine. Jacob hatte ihr erzählt, dass Ian seit vielen Jahren leidenschaftlicher Motorradliebhaber war.
»Soweit ich mich erinnere, hat er als Jugendlicher sogar selbst an den Dingern herumgeschraubt. Der Mann hat ein geradezu beängstigendes Talent für alles, was einen Motor hat. Schätzungsweise hängt das mit seinem mathematischen Computergehirn zusammen. Jedenfalls repariert er einen Wagen doppelt so schnell wie ich, obwohl er nur halb so alt ist.« Ein Anflug von Stolz hatte bei diesen Worten in Jacobs Stimme mitgeschwungen.
Von ihm hatte sie auch erfahren, dass Ian Teilbesitzer einer immer populärer werdenden französischen Firma war, die sich auf die Fertigung exklusiver Hightech-Motorräder und -Roller spezialisiert hatte.
Es gab nur einen Grund, weshalb sie eingewilligt hatte, sich von Jacob das Motorradfahren beibringen zu lassen: Ian hatte sich offenbar daran erinnert, was sie in Paris über Motorroller gesagt hatte. Und offen gestanden wäre ein Roller perfekt für sie. Er war nicht allzu teuer, das ideale Transportmittel im dichten Stadtverkehr, wo Parkplätze Mangelware waren – von ihrem neu erwachten Drang nach Unabhängigkeit und dem Wunsch nach mehr Lebensqualität ganz zu schweigen. Sie hatte sich vorgenommen, sich nach der bestandenen Prüfung sofort einen billigen Roller zuzulegen. Und wenn sie Ians Angebot damit ausnutzte? Pfeif drauf , dachte sie.
Abgesehen davon hatte sie beschlossen, die hunderttausend Dollar für den Auftrag zu akzeptieren. Sie würde alles nehmen, was sie kriegen konnte, und dann würde sie ihn einfach abservieren, genauso wie er sie abserviert hatte.
Das sagte sie sich zumindest. Es war tröstlich, sich einzureden, sie könne genauso gefühllos mit ihm umspringen, wie er es mit ihr getan hatte.
Dieser elende Mistkerl. Einfach aus der Stadt zu verschwinden, nachdem sie ihm ihr Herz ausgeschüttet hatte … und er
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