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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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Schutt mit rötlichem Weine,
    Überall, wo die Glut hinwütete; drauf in der Asche
    Lasen das weiße Gebein die Brüder zugleich und Genossen,
    Wehmutsvoll, ihr Antlitz mit häufigen Tränen benetzend.
    Jetzo legeten sie die Gebein’ in ein goldenes Kästlein,
    Und umhüllten es wohl mit purpurnen weichen Gewanden;
    Senkten sodann es hinab in die hohle Gruft; und darüber
    Häuften sie dichtgeordnet gewaltige Steine des Feldes;
    Schütteten eilend das Mal, und ringsum stellten sie Späher,
    Daß nicht zuvor anstürmten die hellumschienten Achaier.
    Als sie das Mal geschüttet, enteilten sie. Jetzo von neuem
    Kamen sie nach dem Gebrauch, und feierten stattlichen Festschmaus
    Dort in Priamos’ Hause, des gottbeseligten Herrschers.
    Also bestatteten jene den Leib des reisigen Hektors.

    Fertig. Ich hatte die letzten Verse der Ilias abgeschrieben. Hektor war tot. Unwiderruflich tot. So wie ich es befürchtet und in Erinnerung gehabt hatte. Achilles, der als nahezu unverwundbar galt, hatte ihn im Kampf besiegt, seine Leiche entwaffnet und sie unter den Augen von Hektors Eltern voller Zorn an einen Wagen gebunden und sie ans Meer zu den Schiffen geschleift, mit denen Achilles und die übrigen griechischen Truppen nach Troja gekommen waren. Hektors Vater, Priamos, war daraufhin nichts anderes übrig geblieben als zu Achilles’ Zelt zu schleichen und ihn um die Herausgabe der Leiche zu bitten. Tatsächlich lieferte Achilles schließlich Hektors sterbliche Überreste aus und vereinbarte mit Priamos sogar für die Zeit der Bestattungsfeierlichkeiten Waffenruhe. Und so konnten die Trojaner Hektor doch noch die letzte Ehre erweisen. Ein ziemlich schwacher Trost, wie ich fand.
    Ich legte die Rohrfeder beiseite und vergrub mein Gesicht in den Händen. Meine Arbeit war beendet. Es gab nichts mehr zu tun. Tausende von Verszeilen hatte ich in unzähligen Stunden zu Papier gebracht. Ich hatte Zeichnungen angefertigt und Buchstaben verschnörkelt. Was nun? Wie sollte es jetzt bloß weitergehen? Marcius und Verus waren noch immer fort, genauso wie Artemisia. Zum Glück hatte Neilos seine Fluchtpläne bislang nicht in die Realität umgesetzt. Nicht dass ich besonders an ihm hing, aber die Anspannung im Haus war auch so schon groß genug, und einer intensiven Befragung durch Kleon hätte ich mich derzeit nicht gewachsen gefühlt.
    Mit einem tiefen Seufzer rollte ich nach einer Weile die beschriebenen Papyrusbögen zusammen, knotete ein dünnes Lederbändchen darum und brachte sie zu Lucius. Ohne ein Wort legte ich sie in seine Hände.

Feuer und Schwert

    Jemand hämmerte zum dritten Mal laut gegen die Tür. Es klang ungeduldig. Ich hörte, wie Kleon Neilos losschickte, um nachzusehen, wer so spät abends noch etwas vom Senator wollte. Heimlich und mit klopfendem Herzen folgte ich dem Feuerschein seiner Fackel. Vielleicht war ja Marcius zurückgekehrt? Vielleicht hatte er eingesehen, dass er und die anderen gegen Cäsar nichts ausrichten konnten? Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir. Ja, so musste es sein! Wer sonst außer Marcius und Verus würden um diese Zeit so einen Krach machen? Doch weder Marcius noch Verus standen in der Eingangshalle, sondern Senator Gaius Quintus und mehrere bewaffnete Männer, die wie Legionäre aussahen. Neilos lag neben der Tür in einer Ecke und hielt sich den Kopf. Quintus’ Leute hatten offenbar nicht lange um Einlass gebeten.
    »Wo ist Senator Lucius Sulla?«, quäkte Quintus und fuhr sich mit seinem Tunikaärmel über die verschwitzte Stirn.
    »Der Senator hat sich bereits in seine Gemächer zurückgezogen«, antwortete Kleon. Er schritt an mir vorbei und drängte mich dabei unauffällig in eine dunkle Nische.
    »Geh ihn wecken«, verlangte Quintus.
    »Tut mir leid. Der Senator hat mich gebeten, ihn heute nicht mehr zu stören«, sagte Kleon. Ich sah ihm an, dass er log.
    »Wenn das so ist, werden ihn eben meine Männer höchstpersönlich stören.« Quintus’ Knopfaugen funkelten tückisch.
    »Das wird nicht nötig sein!« Lucius betrat die Halle. Er trug seine Toga mit dem rot eingefassten Saum, die er sonst nur zu offiziellen oder feierlichen Anlässen anlegte. »Was kann ich für dich tun, Senator Gaius Quintus?« Ruhig stand er da, das Kinn leicht angehoben.
    »Du bist verhaftet, Senator Lucius Sulla«, triumphierte Quintus.
    »Wer sagt das?«
    »Ich sage das!« Quintus’ Augen funkelten noch stärker.
    »Das ist lächerlich. Dazu hast du keine Befugnis!« Lucius’

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