Tempus (German Edition)
zwischen den Farnen? Mir schauderte bei dem Gedanken, dann gab ich mir jedoch einen Ruck und bog die ersten Farnwedel auseinander. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte ich mich nach und nach durch das feuchte Grün und sogar durch angrenzende Büsche. Vor einem gewaltigen Dornengestrüpp machte ich schließlich Halt. Hier weiterzusuchen dürfte relativ sinnlos sein. Hinter den bedrohlich aussehenden Ranken verbarg sich allenfalls Dornröschen. Ich wollte mich gerade abwenden, da meinte ich zwischen den entlaubten Zweigen eine Steinplatte durchschimmern zu sehen. Wenn ich sie genauer unter die Lupe nehmen wollte, drohten mir allerdings einige Kratzer. Meine Neugier war letztlich stärker als mein Respekt vor den Dornen. Vorsichtig zwängte ich mich durch die Zweige, die immer wieder versuchten, mich festzuhalten. Wenige Minuten später und um ein paar Schrammen reicher stand ich vor einer Steinplatte, die so aussah als würde sie hier eigentlich nicht hingehören. Was nun? Um sie zur Seite zu schieben, war ich nicht stark genug. Ratlos sah ich mich um. In Reichweite von mir lag ein armdicker Ast auf dem Boden, mit dem ich vielleicht die Steinplatte weghebeln konnte. Ich schnappte mir den Ast und bemühte mich, ihn seitlich hinter die Platte zu schieben, was aber nicht funktionierte, weil der Ast zu dick war. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, just in dem Moment als ich aufgeben wollte, verkantete ein Stück des Astes hinter der oberen linken Ecke der Platte. Ehe ich mich versah, fiel sie mir fast auf die Füße. In letzter Sekunde unterdrückte ich einen Schrei, nicht nur vor Schreck, sondern auch vor Erstaunen. Dort, wo eben noch der Stein gestanden hatte, gähnte jetzt ein schwarzes Loch. Ohne lange nachzudenken ließ ich mich durch das Loch hinunter in eine Höhle, die so groß war, dass ich darin stehen konnte. Es dauerte einen Augenblick, bis sich meine Augen an die schummerigen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Schräg rechts von mir schien ein Tunnel von der Höhle wegzuführen, in den ich mich aber nicht hineinwagte, weil ich keine Fackel bei mir trug. Was das wohl für eine Höhle war, und wohin mochte der Tunnel führen? Mein Blick blieb an der hinteren Höhlenwand hängen. Wenn ich mich nicht täuschte, befand sich dort eine Nische, hinter der etwas hervorlugte. Vorsichtig näherte ich mich dem Felsvorsprung und spähte dahinter. Zu meiner Verwunderung entdeckte ich ein paar Fackeln, Krüge mit Wasser, gedörrtes Fleisch und bereits leicht schimmeliges Brot. Irgendjemand hatte sich hier einen Vorrat angelegt, doch wofür?
Ich merkte, wie es plötzlich in der Höhle dunkler wurde. In der Erwartung, Artemisia vor dem Höhleneingang stehen zu sehen, wirbelte ich herum.
»Was machst du hier?«, knurrte mich stattdessen Neilos an. Er hatte einen blutigen Kratzer im Gesicht und zerzaustes Haar.
»Ich suche nach Artemisia«, stotterte ich.
»Das glaube ich dir nicht!« Neilos kam langsam auf mich zu und musterte mich düster.
»Doch, wirklich. Ich habe erst im Pferdestall nachgeguckt und dann die Gegend drumherum abgesucht. Dabei bin ich auf diese Höhle gestoßen«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
»Du lügst! Du spionierst mir hinterher, gib es zu!«
»Tue ich nicht. Und was machst du hier?«
»Mein Geheimnis beschützen«, presste Neilos zwischen seinen Zähnen hervor.
»Dein Geheimnis? Wie meinst du das? Was ist das für eine Höhle und was sollen die Vorräte da hinten?« Ich zeigte mit dem Daumen über meine Schulter in Richtung Nische.
»Wonach sieht es denn aus?«, höhnte er.
Allmählich dämmerte es mir. »Du hast Artemisia hier versteckt; sie ist durch den Tunnel geflüchtet«, hauchte ich.
»Ich habe hier niemanden versteckt. Niemand weiß von dieser Höhle, außer dir und ...«, er biss sich auf die Lippen.
»Und Verus«, ergänzte ich langsam. »Damit hat er dich also erpresst. Jetzt verstehe ich. Aber wieso hat er dich nicht an Lucius verraten?«
»Ich nehme an, als Gallier hat er ein gewisses Verständnis für versklavte Menschen mit Wunsch nach Freiheit.« In Neilos’ Augen trat ein beunruhigendes Funkeln.
»Das habe ich auch. Und nun geh zur Seite, damit ich hier endlich raus kann. Mir wird kalt«, sagte ich möglichst selbstbewusst und schlang dabei meine Arme eng um mich.
»Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?«
»Du musst mir trauen! Du hast keine andere Wahl. Filippa weiß, dass ich hier die Umgebung absuche. Ich habe es ihr vorher gesagt. Wenn ich nicht bald
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