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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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beschwipst.
    Schon bald wurde klar, dass wir nicht annähernd so schnell vorankamen, wie Erik gedacht hatte. Hinter nahezu jeder Häuser- oder Straßenecke stießen wir auf berühmte Brunnen, Plätze, Statuen und Kirchen, an denen wir nicht einfach so vorbeigehen mochten, sondern die wir uns »nur mal ganz kurz« anschauen wollten. Aus »nur mal ganz kurz« wurden bestimmt zwei Stunden. Als wir endlich das Hotel erreichten, war es bereits dunkel. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen und machte das Handy an. Auf meiner Mailbox waren zahlreiche Anrufe: von Hedda, meiner Oma, meinem Patenonkel und einer Tante. Agnes und mehrere Freundinnen aus Kenia hatten mir eine SMS geschickt. Sogar Jonas hatte geschrieben. Ich war richtig gerührt, dass so viele Menschen an mich gedacht hatten.
    Die letzte SMS, die ich las, machte meine gute Laune schlagartig zunichte. Sie war von Harry. HAPPY BIRTHDAY , schrieb er. Mehr nicht. Das war alles. Fassungslos starrte ich auf das Display. Dreizehn Buchstaben. HAPPY BIRTHDAY . Mehr Buchstaben war ich ihm nicht wert. Mein ganzer Kummer brach wieder hervor. Über ein Jahr war es her, dass wir uns ewige Liebe geschworen hatten. Was war aus den nächtlichen Versprechen geworden? Nichts! Sie waren nichts als Lügen gewesen. Nichts als schöne Worte, die nur in dem Moment gegolten hatten, in dem sie ausgesprochen worden waren. Wenn überhaupt. Auf Worte konnte man sich nicht verlassen. Harry hatte jetzt Frau und Kind. Und was hatte ich? Nichts! Niedergeschlagen lag ich auf meinem Hotelbett, den Kopf in die Hände gestützt. Mit seiner SMS hatte er mir den ganzen Tag ruiniert. Bis jetzt war alles so schön gewesen! Ich dachte an den Zenturio vor dem Kolosseum, den Jungen mit der Blume und den singenden Kellner.
    Verdammt! Harry hatte kein Recht, mir meinen Geburtstag zu verderben. So viele unglückliche Stunden gingen bereits auf sein Konto. Allmählich reichte es! Ich ging ans Fenster und lehnte mich hinaus. Nicht weit entfernt sah ich in der Dunkelheit das Kolosseum. Es war beleuchtet. Jeder einzelne Rundbogen erstrahlte in gelblich orangem Licht. Helle Leuchtpunkte in der Nacht. Ich atmete tief durch. Welch ein Anblick! Ich war in Rom. Der Ewigen Stadt. Was wollte ich mehr?!

Auf der Flucht

    Der Bus rumpelte über die Straßen. Erik und ich waren auf dem Weg zum Vatikan, um uns den Petersplatz und die Peterskirche anzugucken. Bis 12 Uhr hatte mein Vater Zeit, danach musste er zum Kongress.
    »Warum hast du eigentlich deine Arzttasche mitgenommen?«, fragte ich ihn, während mich die Fliehkräfte gegen seine Schulter pressten. Der Busfahrer war mit viel Schwung um eine enge Kurve gebrettert.
    »Ich schätze aus Gewohnheit.« Erik grinste schief. In Kenia hatte er sie immer dabeigehabt, wenn wir unterwegs waren. »Für alle Fälle, man kann ja nie wissen«, pflegte er zu sagen. Aber hier waren wir nicht irgendwo in abgelegenen afrikanischen Dörfern, sondern mitten in Europa. Ich schüttelte den Kopf. Eriks schäbige braune Tasche war mir peinlich. Ich verkniff mir einen Kommentar, denn der Bus hatte sein Ziel erreicht, und wir mussten aussteigen.
    Vor uns erstreckte sich der Petersplatz, umrahmt von Säulengängen, auf deren Brüstung Heiligenstatuen thronten.
    »Ein Wunder der Perspektive und ein Meisterwerk der Architektur«, las Erik aus seinem Reiseführer vor. Andächtig schlenderten wir über die grauen Pflastersteine, vorbei an zwei Brunnen und einem Obelisken in Richtung Peterskirche, die genau gegenüber von uns auf der anderen Seite des ellipsenförmigen Platzes lag. Ich kannte die Kirche aus dem Fernsehen. Zu Weihnachten und Ostern zeigten sie immer Bilder von ihr und dem Papst. Die Ehrfurcht, die einen ergriff, wenn man die Kirche betrat, hatte das Fernsehen jedoch nicht wiederzugeben vermocht. Genauso wenig wie ihre Größe und Pracht. Staunend betrachtete ich die unzähligen Säulen und Statuen aus Marmor und Bronze, die üppig verzierten Altäre und wertvollen Mosaiken. Direkt über dem berühmten Papstaltar mit dem Baldachin spannte sich die farbenprächtige Hauptkuppel, die, wie mir Erik erklärte, die größte der Welt war. Ich legte meinen Kopf in den Nacken, drehte mich langsam um meine eigene Achse und bewunderte die Kuppel so lange, bis mir schwindelig wurde. Die Peterskirche hatte zwar nichts mit demantiken Rom zu tun, über das ich zu Hause so viel gelesen hatte, doch schon allein ihretwegen hatte sich die Reise gelohnt.
    Erik war ebenfalls fasziniert. Immer

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