Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
Vom Netzwerk:
umschlungen hielten, nicht zu verscheuchen. Eigentlich hätte ich mich wundern müssen. Aber wieder tat ich es nicht. Stattdessen genoss ich die Umarmung.
    »Geht es dir gut?«, fragte eine stumme Stimme.
    Meine Lippen formten eigenmächtig ein »Ja«.
    Bevor ich mich wundern konnte, schlief ich ein.

Janiculum

    Ein Sonnenstrahl hatte sich durchs Fenster verirrt und kitzelte mich an der Nase. Mit einem Nieser wachte ich auf. Ich reckte und streckte mich in meinem Bett. Mein Nacken und mein Rücken waren verspannt, bestimmt weil ich in den vergangenen Tagen immer ziemlich krumm am Tisch gesessen und geschrieben hatte. Ich überlegte, ob ich heute mal eine Pause einlegen sollte.
    Noch etwas müde massierte ich meinen Nacken. Plötzlich fiel mir ein, was vorige Nacht passiert war. Wieso hatte sich die Umarmung so echt angefühlt, und warum hatte sie mich so wenig erstaunt? Vor allem war es mir ein Rätsel, warum ich auf die Frage, ob es mir gut ging, mit »Ja« geantwortet hatte. Mir ging es nicht gut. Überhaupt nicht. Ich kam mir vor wie ein Planet, der aus seiner Umlaufbahn geschleudert worden war und nun einsam und ziellos durchs unendliche Universum trieb.
    Energische Schritte, die sich meinem Zimmer näherten, ließen mich aufhorchen. Filippa konnte das nicht sein. Sie war zwar schon im Haus unterwegs, aber ihr Gang war leichter, nahezu geräuschlos.
    Die Schritte kamen vor dem Zimmereingang zum Stehen. Der Vorhang bewegte sich leicht. Ich wartete darauf, dass er zur Seite geschoben wurde, was nicht geschah.
    Wer mochte das sein? Für alle Fälle hielt ich mir die Bettdecke vor die Brust und lauschte. Die Schritte entfernten sich wieder. Eilig stand ich auf, schlüpfte in meine Tunika und spritzte mir Wasser aus der Waschschüssel ins Gesicht. Keinen Moment zu früh. Die Schritte kehrten zurück, der Vorhang flatterte in der Luft, und er stand vor mir. Seit wann war er wieder da? Ich glotzte ihn an wie ein Gespenst.
    »Nimm dir etwas Warmes zum Überziehen mit und folge mir«, war alles, was er sagte. Seine Augen glänzten eigentümlich.
    »Wohin?« Ich schnappte mir verdattert eine Decke aus Filippas Truhe und verließ mit Marcius das Zimmer.
    »Das wirst du schon sehen.« Den Gang entlang zog er mich hinter sich her.
    »Au, du tust mir weh«, beschwerte ich mich.
    »Entschuldige.« Er ließ mich los. »Kannst du reiten?«
    »Eigentlich nicht«, sagte ich und rieb mir die schmerzende Stelle am Arm.
    »Somit wirst du es heute lernen!«
    Wir verließen das Haus und gingen zum Pferdestall. Mir fiel auf, dass Marcius erneut humpelte. Ansonsten sah er aus wie immer. Unnahbar und gleichzeitig so anziehend, dass ich kaum meinen Blick von ihm wenden konnte.
    Ein kühler Wind pfiff uns entgegen. Der übermütige Sonnenstrahl, der mich noch eben geweckt hatte, verkroch sich zusehends hinter einer dunklen Wand aus mächtigen Blumenkohlwolken.
    Vor dem Stall stand ein bereits aufgezäumtes und gesatteltes Pferd. Es war ein kleines Tier mit braunem, zotteligem Fell und einem weißen, sternförmigen Fleck auf der Stirn.
    »Kannst du allein aufsitzen?«, fragte Marcius mit Blick auf den Braunen.
    »Ich weiß nicht. Der Sattel hat keine ...« Ich kannte das lateinische Wort für Steigbügel nicht. Marcius kam auf mich zugehumpelt und hob mich kurzerhand auf den Rücken des Pferdes. Verlegen zupfte ich meine Tunika zurecht, die etwas hochgerutscht war, wodurch meine nackten Beine zum Vorschein kamen. Um irgendetwas Unverfängliches zu sagen, bemerkte ich: »Du humpelst wieder?!«
    »Mhm.«
    »Hast du Schmerzen?«
    »Nein. Das Bein ist nur ein wenig überanstrengt.« Marcius reichte mir Filippas Decke und schwang sich in den Sattel eines Grauschimmels, den ein Sklave in der Zwischenzeit aus dem Stall gebracht hatte.
    »Wie heißt er?«, wollte ich von Marcius wissen.
    »Wer?«
    »Mein Pferd.«
    »Amandus.« Zum ersten Mal an diesem Morgen huschte der Anflug eines Lächelns über sein Gesicht. Mit gesenktem Kopf wickelte ich die Decke um mich. Marcius sollte nicht sehen, wie ich rot wurde. Ins Schwedische übersetzt bedeutete Amandus nämlich so viel wie der Liebenswerte .
    »Geht das so mit der Decke?«, erkundigte sich Marcius.
    »Ja. Hast du keine?«
    »Ich friere nicht so schnell. Außerdem habe ich ja noch den Umhang.« Er deutete auf das braune Tuch, das er sich um die Schultern geknotet hatte und das ihm gerade bis zur Taille reichte. »Fertig?«
    Ich nickte.
    Marcius trat dem Grauschimmel mit den Fersen in die Flanken.

Weitere Kostenlose Bücher