Tender Bar
niente.«
Lager blies langsam Luft durch seine Zahnlücken.
»Aber Lager«, sagte Onkel Charlie gequält, fast flehentlich, »ich bin eben volles Risiko gegangen.«
Nachdem mir Cager von dieser Unterhaltung erzählt hatte, fragte er mich: »Was willst du mit so einem Mann machen?«
Lager war ein Spieler mit Köpfchen, der mehr gewann als verlor und tatsächlich vom Spielen leben konnte. Er bot an, Onkel Charlie zu helfen. »Wenn du deine Schulden abbauen willst«, sagte Cager, »gibt es nur eine Möglichkeit: Komm mit mir zur Rennbahn, und wir setzen auf ein paar Außenseiter.«
Onkel Charlie schaute Lager finster an. »Was zum Teufel versteh ich von Pferden«, sagte er.
»Was zum Teufel du von Pferden verstehst? Was zum Teufel du von PFERDEN verstehst? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
Im März 1987 sah ich selbst, wie sehr Onkel Charlies Lage sich verschlechtert hatte, als ich aufwachte und er über mir stand. »Hey«, sagte er. »Bist du wach? Hey?« Die Luft im Schlafzimmer war von Sambuca geschwängert. Ich sah auf die Uhr: halb fünf morgens. »Komm mit«, sagte er. »Ich will mit dir reden.«
Ich warf mir einen Morgenmantel über und ging hinter ihm in die Küche. Normalerweise wollte er in diesem Zustand meist über Pat reden, doch diesmal ging es um Geld. Er machte sich Sorgen. Eine konkrete Zahl nannte er nicht, doch ließ er keinen Zweifel daran, dass er seine Schulden nicht mehr länger ignorieren konnte. Die wahnhafte Freude war vorbei. Seine einzige Hoffnung, sagte er, seine letzte Chance sei Sugar Ray Leonard.
Ich wusste sehr wohl über den bevorstehenden Kampf um die Weltmeisterschaft im Mittelgewicht zwischen Sugar Ray Leonard und »Marvellous« Marvin Hagler Bescheid. Seit Wochen war der »Superfight«, als der er angekündigt war, Thema Nummer eins im Publicans. Im Grunde weist jede Bar eine gewisse Verwandtschaft zum Boxen auf, weil Trinker und Boxer auf Hockern sitzen, sich benommen fühlen und die Zeit in Runden messen. Im Publicans jedoch galt Boxen als heiliges Band, das alle einte. Altgediente erinnerten sich noch gern an Rocky Graziano, der jahrzehntelang Stammgast war, bevor die Bar Publicans hieß. Und ich hatte einmal erlebt, wie es zwischen zwei Männern im hinteren Raum fast zu Handgreiflichkeiten kam, weil sie darum stritten, ob Gerry Cooney ein echter Wettkämpfer oder ein Blindgänger sei. Das bevorstehende Aufeinandertreffen zweier herausragender Fighter wie Leonard und Hagler stellte für die Männer das Gleiche dar wie das Nahen eines seltenen Kometen für NASA-Wissenschaftler. Betrunkene NASA-Wissenschaftler.
Leonard, der auf eine dreijährige Ringabstinenz zurückblickte, galt mit seinen ausgeprägten Geheimratsecken und erst einunddreißig Jahren als Elder Statesman. Als junger Olympier hatte er gut ausgesehen – jetzt wirkte er vornehm, wie ein Diplomat. Der nachdenkliche Blick seiner Augen hatte ihm seit jeher und irreführenderweise ein gesetztes Image verliehen, jetzt aber litt er zusätzlich noch unter einer Netzhautablösung, die er sich in einem seiner letzten Kämpfe zugezogen hatte, und die Ärzte prophezeiten ihm, ein gezielter Schlag, und er wäre blind. Er war kein Gegner für den Titelverteidiger Hagler, einen unangenehmen, schlichten, glatzköpfigen Fighter in der Blüte seiner Boxerjahre. Wie ein wütender Godzilla hatte Hagler jeden Herausforderer übel verdroschen. In elf Jahren hatte er nicht einmal verloren, aber er betrachtete alle seine Opfer, auch die zweiundfünfzig K.-O.-Siege, als bloße Vorspeise vor dem Hauptgericht – Leonard. Hagler hungerte nach Leonard. Er wollte sich als Fighter des Jahrzehnts beweisen, und zu diesem Zweck musste er Leonard aus dem Ruhestand locken und ihn demütigen, musste er den Liebling der Medien entthronen. Er mochte Leonard auch persönlich nicht, also wollte er ihn zerstören. Ihm war egal, oh Leonard seinetwegen blind oder taub wurde oder gar tot umfiel. Bedachte man Haglers Wut und Leonards nicht vorhandene Form, war der Fight weniger ein Fight denn eine geplante Exekution. Vegas machte Hagler zum unerschwinglichen Favoriten, doch als die Sonne durch das Fenster über der Küchenspüle fiel, prophezeite mir Onkel Charlie, Vegas liege falsch. Sicher, es war ein ungleicher Kampf, aber anders als Vegas es vorhersah. Er wette schwere Kohle, mehr Kohle als in jedem Bergwerk, auf Sugar Ray Leonard.
Ich musste Joey D Recht geben. Onkel Charlie war süchtig nach Verlierern. Und er setzte nicht nur auf sie, er
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