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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Siebziger oder Anfang der Achtziger an, als »Strangers in the Night« auf der Anlage in der Bar lief. »Toller Song«, sagte Fast Eddy und schnippte mit den Fingern. »Schätze, deshalb gewann er den Oscar.« Cager sagte: »Strangers in the Night gewann nie einen Oscar.« Sie wetteten einhundert Dollar, gruben einen Almanach aus und stellten fest, dass Cager Recht hatte. Jahre zogen ins Land. Eines Abends lief der Song wieder, und Fast Eddy sagte: »Toller Song. Schätze, deshalb gewann er den Oscar.« Cager lachte. Fast Eddy machte sicher nur einen Scherz. Als er merkte, dass Fast Eddy es ernst meinte, schlug Cager eine Wette über einige hundert Dollar vor. Fast Eddy verlor wieder und musste zahlen. Mehrere Jahre vergingen. Cager schnappte sich Onkel Charlie und sagte ihm, er habe Schulden bei den Buchmachern und müsse auf einen Schlag alles begleichen. Fast Eddy sei die Lösung. »Bei ›Strangers in the Night‹, hat Fast Eddy ein schwarzes Loch«, sagte Cager, »also geh ich aufs Ganze. Heute Abend, wenn er kommt, legst du ›Strangers‹ auf, von da an übernehme ich, und du kriegst später einen Anteil.« Doch Onkel Charlie wollte nicht mitspielen. Er wolle sich in nichts Unehrliches verstricken lassen, sagte er. Ziemlich geschwollen dahergeredet, konterte Cager, für einen Mann, der das Publicans als sein persönliches Wettbüro betrachtete. Später, als Fast Eddy erschien, sah Onkel Charlie Cager an. Cager sah Onkel Charlie an. Fast Eddy sah Onkel Charlie an. Onkel Charlie servierte Fast Eddy ein Bier und fing zu summen an. Scooby dooby doo. »›Strangers in the Night‹«, sagte Fast Eddy und schnippte mit den Fingern. »Toller Song. Schätze, deshalb gewann er den Oscar.« Cager war meisterhaft. Er zog Fast Eddy auf, verspottete ihn, verkündete den Gästen, Fast Eddy habe keinen Schimmer von Musik, bis Fast Eddy nichts anderes übrig blieb, als eine ziemlich hohe Wette einzugehen, um seine Männlichkeit zu retten. Keiner von beiden verriet jemals, wie hoch der Betrag war, aber es muss eine ordentliche Summe gewesen sein. Als Fast Eddy verlor und nach seinem Scheckbuch griff, klickte jedenfalls etwas. Das schwarze Loch in seinem Gehirn flog auf und klappte wieder zu wie ein Kameraverschluss. Er erinnerte sich nicht daran, die gleiche Wette schon zweimal verloren zu haben, aber er erinnerte sich sehr wohl, dass Onkel Charlie gesungen hatte, und zwar nicht »What Kind of Fool Am R« Fast Eddy überlegte, ob er vielleicht der Trottel war.
    Beim Übertragen dieser Geschichte in Literatur änderte ich die Namen. Cager wurde zu Killer, Fast Eddy zu Speedy Eduardo, Onkel Charlie zu Uncle Butchie. Aus Cager machte ich einen Veteranen des Koreakriegs, aus Fast Eddy einen Exknacki, der vielleicht, vielleicht auch nicht seine Frau Agnes umgebracht hatte, die in meiner Geschichte Delilah hieß. Der Song hieß bei mir »Blue Velvet«, die Wette betrug hunderttausend Dollar. Doch was ich auch anstellte, die Geschichte klang nicht glaubwürdig, und ich wusste einfach nicht warum.
    Während ich mich an einer weiteren Version von »Fremde in der Bar« abmühte, klingelte das Telefon. Es war DePietro. »Komm vorbei!«, rief er über das Getöse von zweihundert Stimmen. »Hier wimmelt es von Frauen, und ich hab die ideale Immobilie. Promenade und Parkplatz!« Er sprach von den beiden begehrtesten Barhockern, gleich am Eingang an der Plandome Road, mit gutem Blick auf alle eintreffenden Gäste und den besten Chancen, vom Barkeeper wahrgenommen zu werden.
    »Geht nicht«, sagte ich. »Ich schreibe.«
    »Schreiben? Worüber denn verdammt?«
    »Die Bar.«
    »Na und? Dann komm vorbei und recherchiere ein bisschen. Promenade und Parkplatz.«
    »Geht nicht.«
    Er legte auf.
    Wenig später hörte ich, wie Louie the Greek seinen Grill abstellte. Ein tiefes Brummen, gefolgt von einem leisen Zischen. Ich ging ans Fenster und rauchte eine Zigarette. Es regnete leicht. Ich öffnete das Fenster und roch den Regen, zumindest versuchte ich es über Louies Mülltonnen hinweg. Möwen stoben in die Tonnen. Louie kam aus der Hintertür und scheuchte sie fort. Kaum war Louie wieder im Haus, kamen die Möwen zurück. Ausdauer, dachte ich. Möwen haben sie – ich nicht. Ich schaltete den Computer aus. Ein tiefes Brummen, ein leises Zischen.
    Ich machte mich auf den Weg ins Publicans, die Geschichte in einer Mappe unter meinem Arm, und tröstete mich die ganze Zeit mit dem Gedanken, dass jeder Schriftsteller genauso viel Zeit in Bars wie hinter

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