Tender Bar
Kasse bis in die Kinderabteilung schlängelte. Die Kunden suchten jemanden, der ihnen das Geld abnahm. Als niemand auftauchte, gaben sie auf und gingen. Am anderen Ende des Ladens entdeckte ich ein Paar vogelartiger Augen, die aus einer nicht weiter gekennzeichneten, leicht geöffneten Tür spähten. Ich stellte Blickkontakt her, und die Tür wurde zugeknallt. Ich ging nach hinten und klopfte leise. Ich hörte Rascheln und Gewusel, dann flog die Tür auf. Vor mir stand ein Mann in Kordhosen und kariertem Hemd, die schwarze Strickkrawatte auf Halbmast. Seine Brillengläser waren mit dem gleichen feinen Staub überzogen, der alles im Laden bedeckte, und er hielt eine nicht angezündete Zigarette. »Kann ich dir helfen?«, sagte er.
»Ich dachte nur, ich sollte Ihnen vielleicht sagen, dass ein paar Kunden gewartet haben, um zu zahlen.«
»Wirklich?«
Wir drehten uns um und schauten zur Kasse.
»Ich sehe niemanden«, sagte er.
»Sie sind gegangen.«
»In Ordnung. Danke, dass du uns Bescheid gegeben hast.«
Bei dem Wort »uns« erschien ein zweiter Mann. Er war größer als der erste, auch dünner, und seine Brille viel sauberer. Eine dicke schwarze Buddy-Holly-Brille, deren Gläser unter dem Neonlicht funkelten. Er trug ein Polohemd mit einer Krawatte, die noch breiter und altmodischer war als die des ersten Mannes. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der eine Krawatte zu einem Polohemd trug. »Wer ist das?«, fragte er und sah mich an.
Ich stammelte, ich sei niemand. Wir sahen uns alle drei an, lieferten uns ein Blickduell, und dann kam mir eine Idee. Ich fragte, ob sie vielleicht eine Stelle für jemand hätten, der sich nachmittags hinter die Kasse stellte.
»Wie alt bist du denn?«, fragte der erste Mann.
»Dreizehn. Ich werde vierzehn, nächsten …«
»Hast du schon mal in einem Buchladen gearbeitet?«, fragte der zweite Mann.
»Das spielt keine Rolle«, sagte der erste. »Warte einen Moment.«
Er schloss die Tür und ich hörte sie wütend flüstern. Als die Tür wieder aufging, lächelten sie. »Kannst du um zwei hier sein?«, fragte der erste Mann.
»Die Schule ist erst um drei aus.«
»Na schön. Deinen Arbeitsplan stellen wir später auf.«
Wir gaben uns die Hand, und der erste Mann stellte sich als Bill vor, der Geschäftsführer, der zweite als Bud, stellvertretender Geschäftsführer. Bill sagte, er könne mich zwanzig Stunden pro Woche brauchen, für 2,65 Dollar in der Stunde – ein Vermögen. Ich dankte ihm überschwenglich, gab ihm noch einmal die Hand und wollte dann zu Bud übergehen, doch der war hinter der Tür verschwunden.
Ich rannte nach Hause und erzählte es meiner Mutter.
»Mein Gottl«, rief sie und umarmte mich. »Das hilft uns wirklich weiter.«
Ich versuchte ihre Freude zu dämpfen und erklärte ihr, dass die Männer im Buchladen ziemlich »ungewöhnlich« waren. Ein anderes Wort fiel mir nicht ein.
»Dann werden sie dich lieben«, sagte sie. »Du verstehst dich gut auf ungewöhnliche Männer.«
Ich überlegte, wie sie das wohl meinte.
Ich war nervös, weil ich nicht wusste, ob ich mich mit Bill und Bud verstehen würde, sah sie aber in den ersten Wochen meiner Anstellung kaum. Wenn ich ankam, klopfte ich an die Tür zum Lagerraum, um sie zu begrüßen, und dann hatte ich erst wieder Kontakt mit ihnen, wenn ich mich verabschiedete. Der Buchladen gehörte zu einer landesweiten Kette, aber ich ging davon aus, dass Bill und Bud sich entweder von der Kette abgespalten oder man sie im Hauptbüro vergessen hatte. Sie führten den Laden wie eine Privatbibliothek, bestellten Bücher und Zeitschriften, die ihr Weltbild spiegelten, und kamen nur selten aus dem Lagerraum, der Bill gleichzeitig als Schlafzimmer diente. An manchen Abenden schlief er beim Lesen auf einem Liegestuhl hinter dem Trinkwasserbehälter ein.
Schüchtern und zurückgezogen wie Bill und Bud waren, hätte der Unterschied zu den Männern in der Bar nicht größer sein können, und in den ersten Wochen empfand ich die Ruhe und Einsamkeit im Buchladen als so verwirrend, dass ich fast kündigen wollte. Dann plötzlich interessierten die beiden sich für mich, und wenn keine Kunden im Laden waren, was so gut wie immer der Fall war, forderten sie mich auf, an die Tür zum Lagerraum zu kommen und mit ihnen zu plaudern.
Anfangs hatte ich Probleme, der Unterhaltung zu folgen, weil mich die vielen Schrullen der beiden so faszinierten. Bill rauchte beispielsweise Kette, mochte aber keinen Aschenbecher kaufen. Im
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