Tenebra 3 - Dunkle Burg
des Sitzpolsters unter mir. Offenbar hielt er Ausschau nach allem, was sich verändern könnte. Die Witwe Pila war noch schlimmer. Sie beobachtete mich genauso, ging sogar mit mir zum Abort. Nun wusste ich, dass nichts, was ich tat, jemals wieder unbeobachtet bleiben würde.
Er hatte Fürst Nathans Anweisung, eine Frau zu meiner Bewachung einzustellen, tatsächlich vorausgesehen. Schon am nächsten Morgen war Witwe Pila zur Stelle, klein und hager wie ein Galgen, aber nicht annähernd so fröhlich. Sie sagte wenig, und das Wenige mit den sparsamsten Worten, als schmerzte es sie, ihre Rattenfalle von einem Mund zu öffnen. Ihre Manschetten, ihr Kragen und das Kopftuch waren makellos weiß, aber fadenscheinig von der Waschbürste. Ihr Gewand war graubraun und aus schwerem Stoff. Ich habe braunhaarige Frauen gekannt, die wie neue Pfennige glänzten – mein eigenes Haar ist nussbraun –, aber die Witwe hatte Haare wie das Fell einer Maus. Ich wette, ihr Ehemann war mit Freuden abgekratzt, das arme Schwein.
Ich hatte aus dem kleinen Fenster geschaut, aber der Regen setzte wieder ein, und ich zog die Lederklappe zu und band sie fest, um ihn fernzuhalten. Nun gab es nichts anzuschauen als das Innere der Kutsche, und dazu gehörten die Sitze gegenüber, auf denen Teska und Witwe Pila saßen. Draußen gab es nichts als tropfende Hecken und aufgeweichte Felder und das nasse Pferd des nächsten Soldaten der durchnässten Eskorte. Aber das war besser als dies. Ich seufzte und rückte ein wenig auf meinem Platz. Teska beobachtete mich, und Witwe Pila beobachtete einen Punkt über meiner linken Schulter. Nie sah sie etwas oder jemanden offen an.
»Morgen in Etterden«, bemerkte ich munter.
»Ja«, sagte Teska, und damit hatte es sich. Er hörte nicht auf, mich zu beobachten. Ich sah ihm ins Gesicht, was die meisten Leute über kurz oder lang dazu bringt, ihren Blick abzuwenden, aber er starrte mich weiter an. Die Augen unter den blassen Wimpern blieben völlig ausdruckslos. Es war etwas Unmenschliches an Teska. Kriecherisch vor Nathan, unmenschlich zu mir. Es passte zusammen. Ich beugte mich vorwärts, aber er reagierte nicht, beobachtete mich allenfalls schärfer.
»Im Namen der Götter, Teska, reden Sie«, sagte ich. »Wenn wir schon den Rest unseres Lebens damit verbringen müssen, einander anzustarren, dann lassen Sie uns wenigstens reden.«
»Worüber?«, fragte er. Es hörte sich an, als wäre ihm der Gedanke, nur zur Unterhaltung mit jemandem zu sprechen, noch nie in den Sinn gekommen.
»Über Etterden«, sagte ich in Verzweiflung. »Oder über irgendwas. Alles. Den Regen. Den Zustand der Landstraßen. Die Ernte. Was es zum Abendessen gibt. Irgendwas.«
Witwe Pila ließ ein kleines Schnauben hören und rückte auf ihrem Platz ein wenig weiter zurück.
Ein dröhnendes Trommeln auf dem Dach der Kutsche verkündete, dass der Regen seinen Höhepunkt erreichte, und für eine Weile war jede Konversation noch unmöglicher als gewöhnlich. Als die Stärke des Regens nachließ, zuckte Teska im Halbdunkel die Achseln.
»Etterden ist nur ein Dorf. Unterscheidet sich nicht von vielen anderen, außer dass in dem benachbarten Hügel das alte Kupferbergwerk liegt. Eine Quelle entspringt dort und ich vermute, dass sie Mana enthält. Sie kommt aus der Tiefe des Untergrundes.«
Ich nickte und suchte nach etwas, was ihn zum Weitersprechen bewegen würde. »Wer oder was war Etter, oder Etta?«
»Was?«
Ich seufzte. »Etterden muss ›Ettas Wald‹ bedeuten. Den oder Dene bedeutet Wald.«
Seine Augen wurden wieder schmal. »Woher weißt du das?«, fragte er mich misstrauisch. »Das ist die alte Sprache.«
Ich zuckte mit der Schulter. »Sart stammte aus einer Gegend weiter westlich, und dort reden sie seltsam. Im Herbst gingen wir manchmal Beeren sammeln, bis hinaus, wo die Heide anfängt, eine Tagereise, und schliefen in einem Heuschober. Er sagte immer Den für Wald, aber bei ihm klang es gedehnt; und Coom für Tal. Er hatte noch andere seltsame Wörter. Wie Hlong für Schiff, aber damit meinte er nur die altmodischen schmalen, mit einem Achtersteven und einem Steuerruder, nicht diese neuen Koggen. Also dachte ich mir, dass es alte Wörter sein müssen.«
Teska saß da und starrte mich wieder eine Weile an. »Du bist ein aufgewecktes Kind. In diesem Fall irrst du dich, aber du hast eine gute Auffassungsgabe. Es gibt oder gab keinen Etta.«
»Aber…«
»Du kennst die anderen alten Wörter nicht. Tor ist ein Hügel. Etterden
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