Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
auf das menschliche Treibhaus zu starren. Sie legte die Maschinenpistole an. Ein ausklappbares Schulterstück und eine elektronische Verbindung zu ihrem Helm ließ sie die sonst eher auf Streuwirkung ausgerichtete Waffe in ein Gewehr für Scharfschützen verwandeln. Die Reichweite war mehr als ausreichend.
Sie wartete einen Augenblick, bis sie das Singen des heran nahenden Executors vernahm und die ersten Tentakelkrieger aufgeregt aus den Gebäuden rannten. Dann nahm sie den ersten der Krieger in dem Gewächshaus ins Visier und drückte ab.
30 Arbedian
»Lieutenant Haark?«
Es war die Tatsache, dass man ihn nicht mit »Capitaine« ansprach, die Haark schließlich aus seiner Umnebelung riss. Sein Zustand, irgendwo zwischen Schlaf und Bewusstlosigkeit, hatte eine für ihn unbestimmbare Zeitspanne gedauert, seit Beck ihn in der Kapsel sediert hatte. Ruhelosigkeit hatte den ehemaligen Kommandeur der Malu erfasst, als die Kapseln durch das Weltall getrieben waren. Er war da sicher nicht der Einzige. Ungewissheit musste alle Geretteten mit dunklen Gedanken erfüllt haben. Haarks Verletzungen waren einzeln betrachtet nicht lebensbedrohlich, doch ihre Vielzahl forderte ihren Tribut. Schließlich hatte Beck es geschafft, seinen Vorgesetzten dazu zu überreden, sich endgültig niederzulegen und die Koordination der Kapseln ihm zu überlassen. Viel war ohnehin nicht zu tun, denn bald war die Funkverbindung abgebrochen. Als Haark dann immer noch nicht ruhen konnte, hatte ihm sein Erster Offizier erneut ein starkes Schlafmittel verabreicht.
Vor Haarks Augen schälte sich ein Bild heraus.
Diffuse Lichterscheinungen wurden zu Neonleuchten, schwarze Flecken zu einem einzigen, und der entwickelte sich zu einem Gesicht von ebenholzfarbener, tiefschwarzer Farbe. Er erinnerte sich, den Namen zu diesem Gesicht einmal gekannt zu haben, doch entglitt ihm seine Erinnerung, sobald er sie zu fassen trachtete.
»Hören Sie mich?«
Eine sonore, sehr tiefe Stimme. Vertrauenerweckend. Entfernt bekannt.
»Ja«, brachte Haark krächzend hervor und spürte plötzlich, wie trocken sein Gaumen war. Jemand führte einen Becher mit Flüssigkeit an seine Lippen und er begann automatisch zu trinken. Es war Wasser mit einem seltsamen Aroma, wahrscheinlich durchsetzt mit einem Stärkungsmittel. Sofort fühlte er sich besser. Sein Gegenüber hatte höflich gewartet, bis er getrunken hatte, ehe er sich wieder an Haark wandte. Dieser lag in einem Krankenbett und seine Umgebung gehörte zweifellos zu einem Schiffslazarett. Er war offenbar gerettet worden.
»Ich bin Capitaine Jaime Okefori vom Schweren Träger Colonel Chelsea Charms . Ich begrüße Sie an Bord meines Schiffes«, sagte der Mann nun und schenkte Haark dabei ein freundliches und durchaus offenes Lächeln. Jetzt erinnerte sich auch Haark wieder an den Namen und nickte schwach. Er rang sich eine Antwort ab.
»Danke. Meine Mannschaft?«
»Wir haben alle Rettungskapseln aus dem All gefischt. Ihre Männer sind erschöpft, aber wohlauf. Ihre Kapsel war bereits etwas abseits, aber Ihr XO hatte bis zum Schluss Positionsangaben gesendet und so haben unsere Scanner sie beide aufspüren können. Dauerte nur unwesentlich länger.«
Erleichtert entspannte sich Haark in seinen Kissen. Dann ruckte er sofort wieder hoch.
»Der Feind!«
Okefori hob abwehrend die Hände und sein Lächeln erstarb.
»Wir sind bereits wieder auf dem Rückflug nach Ambius. Die gegnerische Flotte hat Kurs auf Arbedian genommen. Ich kann mit der CCC nichts gegen diese Übermacht ausrichten.«
Bedauern und eine Spur Verbitterung schwangen in der Stimme Okeforis und Haark ahnte, wie sich der Mann fühlte.
»Das Sektorkommando kennt unsere Situation?«
»Deswegen bin ich ja hier. Kurz nachdem wir in das System gesprungen sind, begegneten wir einem Liner der Prosperity-Linie und bekamen einen direkten Datendownload von dessen Kommandanten. Der Liner ist übrigens mit all seinen Flüchtlingen bereits vor vielen Stunden sicher und wohlbehalten im Ambius-System eingetroffen. Wir werden in wenigen Minuten den Sprung durch die Brücke machen. Danach wird sich die Brückenstation selbst zerstören. Wir können nicht riskieren, dass der Feind diesen bequemen Weg nutzt, um uns zu folgen.«
Haark wusste, was dies auch noch bedeutete. Innerhalb weniger Tage würde die Einstein-Rosen-Brücke nach Arbedian instabil werden und schließlich zusammenbrechen. Ehe man keine neue Brücke errichtete, würde das System von der
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