Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
schnäuzte den Ruß aus seinen Nüstern. In der Zwischenzeit starrte ein zusammengewürfelter Haufen Gaffer ihn mit halb offenen Mündern an. Ich hatte das Bedürfnis, ihn irgendwo zu berühren, hielt mich aber zurück. Er hüstelte.
»Da drinnen ist kein Durchkommen. Aber ich habe niemanden gesehen. Keine Leiche, gar nichts!« Er war aufgebracht und wütend und schleuderte sein T-Shirt zu Boden. Mit einer Faust schlug er sich gegen die Stirn und trat das Shirt mit seinem festen Schuhwerk zur Seite. Dann registrierte er die glotzenden Leute. »Was gafft ihr denn so?«, brüllte er sie an.
Feuerwehrwagen strömten wie eine Militärfront herbei und platzierten sich vor dem brennenden Betonklotz. Der Mob rückte zur Seite, entließ uns allerdings nicht aus seiner Aufmerksamkeit. Ich reflektierte ihre Neugier mit einem stählernen Ausdruck, aber das störte sie kaum. Gregor bückte sich, hob sein nasses T-Shirt wieder auf und schüttelte es aus. Zwar registrierte ich einen Schatten zwischen seinen Schulterblättern, doch erst, als er mir den Rücken kehrte, um das Treiben der Feuerwehrleute zu beobachten, welche wie Ameisen um ihre Wagen herumwuselten und Handwerkszeug aus den Türen und Schubladen manövrierten, verstand ich, wem oder vielmehr was die entsetzten Blicke der Gaffer wirklich gegolten haben.
Sein Rücken war über und über tätowiert.
Es war ein einziges Motiv, ein Adler, dessen Flügelspannweite sich bis über seine Schulterblätter erstreckte. Sein messerspitzenscharfer Schnabel blitzte in giftigem Gelb und das kugelrunde schwarze Auge, das man aus dieser Perspektive sah, schaute düster und unheilvoll auf denjenigen herab, der den Adler betrachtete. Die Federn des stolzen Vogels waren detailreich ausgestaltet, seine Brust war widernatürlich durch vermeintliche Muskelmasse aufgebläht. Ich bekam eine Gänsehaut. Der Adler war Furcht einflößend anzusehen, und zwar nicht nur aufgrund seiner Monstrosität und seiner genauen Zeichnung, die mir das Gefühl gab, das Tier würde gleich auf mich herabstürzen. Seine riesigen Greifer mit todbringenden scharfen Krallen ruhten auf einem faustgroßen Hakenkreuz. Auf Gregors Rücken prangte der nationalsozialistische Reichsadler.
Gregor drehte sich zu mir um und bemerkte das blanke Entsetzen in meinem Gesicht. Zuerst registrierte ich die Überraschung in seinem Ausdruck, fast so, als hätte er das Monster auf seinem Rücken völlig vergessen. Irgendwann wurde die Überraschung von Erkenntnis und schließlich Bedauern abgelöst. Die Situation war bedrückend und wir beide wussten nicht, was wir sagen sollten. Nur das Geschrei der Feuerwehrleute störte die unangenehme Stille zwischen uns.
»Wir sollten verschwinden, ehe die ersten Streifenwagen auftauchen«, sagte Gregor schließlich und ich folgte ihm auf seinem Weg zum Taxi. Wir stiegen ein, er ließ den Wagen an und fuhr aus dem Gewerbegebiet. Eine ganze Weile sprach keiner von uns und selbst seine Zigaretten rührte Gregor nicht an.
»Glauben Sie, das war Brandstiftung?«, versuchte ich, die Stille zu brechen.
Gregor atmete tief durch. »Natürlich war es das.«
»Was denken Sie, ist mit den Detektiven passiert?«
»Sie sind tot.«
Ich starrte ihn an. »Aber Sie haben doch niemanden gefunden!«
»Sie sind tot«, wiederholte er in einer höheren Lautstärke und guckte mich an. »Entweder sind sie es jetzt schon oder sie werden es in den nächsten Stunden sein.« Wutentbrannt schleuderte er seine Faust gegen das Lenkrad. »Scheiße!«
»Wie können Sie da so sicher sein?«, hakte ich nach.
»Weil es ein logischer Zug ist. Vernichte Beweise, räume Zeugen beiseite.« Er feuerte seine Hand gegen den Aschenbecher und ich schrak zusammen. Anschließend fischte er einen Zigarettenstummel aus der Kiste und steckte ihn sich in den Mund, ohne ihn anzuzünden.
»Ich habe die Situation falsch eingeschätzt«, sagte er und schüttelte mit starrer Miene seinen angesengten Kopf. Ich legte eine Hand auf seinen Arm und er zuckte zusammen. Es war eine unfassbare Situation. Er sah mich an und seine Augen waren von Zorn durchtränkt. Gleichzeitig bedeckte ein Schleier von Schwermut seine Züge. »Ich habe einen Fehler gemacht.«
Gregor setzte mich vor meiner Wohnung ab und brauste mit seinem Taxi davon. Ich machte mir Sorgen, dass er irgendwelche Dummheiten machen könnte, doch ich wusste nicht, wie ich mich ihm in den Weg stellen sollte, ohne von ihm vermöbelt zu werden. Meine Hände zitterten und meine Knie
Weitere Kostenlose Bücher