Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
auf der Couch. Sein Mund war halb geöffnet und er schnarchte wie ein balzendes Wildschwein. Seine Gesichtsfarbe sah ungesund aus. Er war blass, um seine Nase herum war die Haut vergilbt. Er hatte tiefe Augenringe und die Tränensäcke waren von seiner Zeche verquollen. Ich zog ihm die Schuhe und Socken aus und ein unverkennbares Aroma drängte sich mir auf. Ich zupfte an seinem rechten Arm, der halb unter dem Rücken versteckt war. Seine Hand war ganz kalt. Ich legte den Arm quer über die Brust und stutzte, als ich die Narben auf der Innenseite seiner Armbeuge sah. Sie waren rundlich und erhaben und ich nahm an, dass an diesen Stellen vor etlichen Jahren Zigaretten ausgedrückt wurden. Ich wischte die Vorstellung schnell weg und deckte ihn mit einer Wolldecke zu, worauf er mit einem zufriedenen Schmatzen antwortete.
Irgendetwas war anders an ihm. Er sah genauso aus wie immer und stank auch nicht wesentlich schlimmer als sonst. Mir kam es beinahe so vor, als würde ich ihn in einem anderen Licht sehen. Es lag nicht an seiner Tätowierung – und ich müsste lügen, wenn ich sage, ihr Anblick hätte mich nicht berührt. Aber plötzlich schien mir Gregor verletzlich und nahbar. Das Feuerinferno im Industriegebiet hatte ihm stark zugesetzt und ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass seine vernarbte und verkrustete Seele zu einer Anteilnahme am Schicksal anderer überhaupt fähig war. Ganz zu schweigen von seinem Gewissen: Er sagte, er hätte einen Fehler gemacht.
Ich lehnte mich gegen die Wand, nahm mein Handy und rief meinen Bruder an. Er ging nicht ran, doch ich sprach auf seine Mailbox. »Hallo, Brüderchen. Sicherlich hast du von deinen Bochumer Kollegen schon von dem Brand hier in Gerthe erfahren. Vielleicht kannst du dich mal umhören und mir ein paar Informationen darüber geben. Wer weiß, vielleicht kann ich mich mit Insiderinfos über den Audimord revanchieren. Melde dich, wenn du etwas weißt.«
Irgendetwas musste es ja geben, um Gregor irgendwie dabei zu helfen, die Angelegenheit zu verarbeiten.
Am späten Nachmittag rollte Panko vom Sofa und knallte auf den Boden. Er stöhnte kläglich, machte aber keine Anstalten, wieder aufzustehen. Ich ging zu ihm und rüttelte an seiner Schulter.
»Wachen Sie auf«, sagte ich leise.
Gregor kniff die Augen zusammen. Ich zog ihn am Arm und er krabbelte auf seine Knie. Dabei brummte er wie ein Bär, der unfreiwillig aus seinem Winterschlaf gerissen wurde. Er setzte sich auf den Boden, überkreuzte seine Beine und vergrub seine Hände in den fusseligen Locken.
»Ich habe einen Kater«, stellte er fest und sah zu mir hoch. »Ich hatte schon lang keinen Kater mehr.«
Ich nickte zustimmend, als wüsste ich, wovon er sprach. Denn es stand völlig außer Frage, dass er nicht verkatert, sondern nach wie vor total besoffen war.
»Was ist denn mit Ihnen passiert?«, fragte er.
Abschätzig blies ich die Luft aus meinen Nüstern. »Sie waren das.«
Jeder andere hätte diesen Vorwurf abgestritten. Gregor hingegen stand einfach auf und ging taumelnd, aber zielstrebig ins Bad, ohne ein einziges Wort zu seiner Verteidigung zu sagen. Nicht einmal eine Augenbraue verzog er. Aus Ärger und Ungeduld schwoll mir langsam die Kehle an.
»Sie hätten mich beinahe abgeknallt!«, tobte ich durch die verschlossene Badezimmertür.
»Nein«, sagte er lediglich, was mich nur noch wütender machte.
»Dreckskerl! Sie haben sich nicht unter Kontrolle. Sie sind eine Gefahr für uns alle!«
Er öffnete die Tür und streckte seinen Rücken durch. Seine Augenbrauen warfen einen unheilschwangeren Schatten über seine Augen und sein Mund formte sich zu einem blutlosen, stählernen Strich. »Nicht für alle. Nur für Leute wie Sie.«
»Was soll das denn heißen?«
»Das.« Er zeigte auf meinen Bluterguss. »War ein reiner Reflex.«
»Reflex?« Ich klang schrill. »Ein Reflex ist, nach dem Furzen die Hand vor den Mund zu nehmen!«
Er grinste schelmisch und bleckte die Zähne, doch ich war nicht zu Scherzen aufgelegt. Ganz im Gegenteil. Ich sah ihm an, dass er einen totalen Flash hatte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was sich im Adolfo’s zugetragen hatte und ich begriff, dass er nicht in der Lage war, die Situation wie ein Normalsterblicher einzuschätzen. Er musste dringend wieder nüchtern werden.
»Ich mache Ihnen einen Kaffee.«
»Haben Sie kein Bier da?«, moserte er sofort rum und ich musste mich zügeln, ihm keine runterzuhauen.
Ich ging in die Küche und zupfte
Weitere Kostenlose Bücher