Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
verstopft worden. Mich erschreckte der Anblick. Nicht zuletzt, weil dies zweifelsohne mein Werk war. Der Junge hingegen schielte hilflos zu mir herüber. Dann grabbelte er im Nacken seiner Mutter, während die Finger seiner anderen Hand wie von selbst seine Unterlippe zerfledderten.
Eine fremde Hand umfasste meinen Oberarm und zog mich zur Seite. Ich stolperte über meinen Gipsfuß und fiel Gregor geradewegs in die Arme. Er sah wesentlich nüchterner, aber nicht unbedingt frischer aus. Graue Schleier hingen unter seinen Augen, seine Lippen waren blutleer. Eine zaghaft qualmende Kippe hing zwischen ihnen. Ich merkte sofort, dass ich starrte, aber ich konnte es nicht abstellen. Mein Gehirn bearbeitete eine Zeit lang die Frage, ob ich seine Gegenwart begrüßte. Ich war froh. Aber ich stellte schnell fest, dass ich nicht glücklich über diese Einsicht war.
»Sie sagten, Sie hätten einen Fehler gemacht«, sprach ich schnell.
Gregor blinzelte überrascht, saugte am filterlosen Glimmstängel und nickte schließlich sehr langsam.
»Welcher Scheißkerl hat reagiert? Worauf hat er reagiert?«, löcherte ich ihn weiter.
Gregor warf einen kurzen Blick auf das Haus und führte mich die Anhöhe hinunter. Er trug ein schwarzes T-Shirt und warf eine unglaubliche Hitze ab, was wohl daran lag, dass die Sonne die dunkle Baumwolle zerfraß. Achtlos spuckte er seine Kippe auf den Asphalt und trampelte ihre Asche platt.
»Ich fahre Sie nach Hause«, läutete er ein.
Ich blieb umgehend stehen. Er stockte in seinem Gang und drehte sich zu mir um. »Ich kann Sie auch über die Schulter werfen und im Kofferraum transportieren«, drohte er.
»Wollen Sie denn gar nicht wissen, was ich bei der Schrapnell zu suchen hatte?«
»Die Schrapnell lügt«, sagte Gregor, packte mich am Handgelenk und zog mich die Straße hinunter.
»Warum sollte sie das tun?« Müßig stolperte ich ihm hinterher und starrte dabei unentwegt auf seinen Rücken.
»Sie sitzt im Vorstand der Unternehmensberatung.«
Abermals blieben wir stehen. Ich trat an seine Seite und suchte seinen Blick. »Sie steckt da also mit drin?«
»Nicht unbedingt.«
»Aber sie weiß Bescheid.«
Er nickte. »Und wenn die Mauscheleien ans Licht kommen, ist sie genauso weg vom Fenster.«
»Aber das passt doch hinten und vorn nicht! Sie muss ihre Finger mit drin haben. Wie sollte sie sonst davon erfahren haben?«
Gregor guckte mich vielversprechend an. Schlagartig fiel es mir wie Schuppen von den Augen. »Der gute Hugo hat es seiner Frau erzählt. Hat er sie nach dem Verhör etwa angerufen?«
Er nickte. »Wahrscheinlich erwartete er von ihr, sie würde ihn freikaufen oder eine andere adäquate Lösung finden.«
Ich stellte mir vor, wie sie reagiert haben musste, als er ihr beichtete, dass er sich von Topkonzernen schmieren ließ, um die Reputation der Firma durch den Dreck zu ziehen. So wie ich ihn einschätzte, wird er versucht haben, mit seinem Geständnis auch Druck auf seine Frau auszuüben. Immerhin saßen sie im gleichen sinkenden Boot. An ihrer Stelle wäre ich an die Decke gegangen.
»Tja. Wie es aussieht, hat sie eine adäquate Lösung gefunden«, überlegte ich. »Und anstatt ihn aus der Jauche zu befördern, zieht sie jetzt die Reißleine und lässt ihn mit einer Mär über Wettschulden ins Messer laufen.«
Gregor ging noch weiter. »Hugo Sachs steckt nach wie vor bis zum Hals in der Scheiße. Das Einzige, was die Staatsanwaltschaft davon abhält, Anklage wegen Mordes zu erheben, ist das fehlende Motiv. Und offensichtlich fehlen ihm die Freunde, die ihm den Rücken stärken. Pfeiffers Witwe will ihn genauso gern im Knast sehen und wird die Geschichte fraglos bestätigen. Und seine Kollegen werden alles begrüßen, was sie aus den Ermittlungen raus hält.«
Ich runzelte die Stirn. »Aber diese Akte ist keine Mär. Sie ist real. Und sie liegt auf der Wache. Da werden Geschichten über Wettspiele kaum gegenhalten können.«
Gregor nickte und schob mich vorwärts. »Deswegen hat Hugo noch einen Anruf getätigt.«
Mein Bauch blubberte vor Aufregung. »Sie wollen auf die Brandstiftung hinaus, richtig?« Hibbelig stach ich ihm in die Seite. »Deswegen haben Sie doch mit Oskar telefoniert. Und über irgendeinen Scheißkerl gesprochen.«
Mit einem kaum ernst zu nehmenden Stirnrunzeln guckte er mich an. »Sie haben mich belauscht?«
Ich hörte nicht hin, sondern kombinierte weiter. »Passt doch alles zusammen: Zuerst telefoniert Sachs mit seiner Schrapnell und erzählt
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