Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
plötzlich die Knarre auf das Kissen. Ich hörte einen Schrei. Und der Oktave nach zu urteilen musste ich annehmen, dass es meine Stimme war.
»Wartet!«, quiekte schließlich Schuster.
Gregor zog die Knarre weg und nahm das Kissen vom Kopf des Anwalts.
Schuster spreizte die Finger seiner zitternden Hände. »Also gut. Es gibt da möglicherweise jemanden, dem ich Informationen gegeben habe.«
Schuster sabberte, während er einen Namen ausspuckte.
»Bolker.« Es folgte eine Handynummer. »Mehr weiß ich wirklich nicht!«
»Wer ist dieser Bolker?«
»Ich habe keine Ahnung, wir haben kein Wort miteinander geredet. Meine Order war, ihn anzurufen und ihm die Kopien zu geben. Das tat ich auch. Und so schnell der Typ kam, so schnell zog er wieder ab.«
»Wie sah er aus?«
»Sehr großer Typ, ratzekurz geschnittenes Haar. Gut sichtbare Aknenarben. Er trug einen Anzug.«
Noch immer klemmte Schusters Gesicht am Schreibtisch fest und seine Wange rutschte auf seinem Schweiß.
Gregor ließ von ihm ab. »Kommen Sie«, sagte er zu mir.
Ich machte einen Schritt vorwärts. Meine Knie waren nach wie vor ganz weich.
»Hey!«, rief Schuster uns hinterher. »Binden Sie mich los! Bitte.«
Gregor ignorierte sein Flehen und ich mied es, mich noch einmal umzudrehen. Wir gingen aus dem Haus und Gregor wandte sich mir zu. Sein Gesicht wirkte alt unter den Krähenfüßen, die sich aufgrund seines hämischen Grinsens gebildet hatten. Ihm schien es da drinnen Spaß gemacht zu haben. Bei seinem frontalen Anblick kippte mein Adrenalinspiegel und ich gab ihm eine saftige Ohrfeige.
»Sie Scheißkerl.«
Gregor zeigte sich von meiner Reaktion wenig beeindruckt. Stattdessen neigte er zuvorkommend sein Haupt. »Sie waren sehr überzeugend.«
»Glauben Sie etwa, das war gespielt, Sie Idiot?«, brüllte ich ihn an. »Beinahe hätten Sie da drin irgendjemanden erschossen.«
Er zog seine Augenbrauen zusammen. Fast schien er beleidigt. »Ich erschieße nie irgendjemanden .«
Die Kälte, mit der er diesen Satz aussprach, jagte mir einen Schauer über den Rücken.
»Und jetzt? Was machen Sie jetzt, Sie Superheld?«, fragte ich.
»Leider habe ich keinen triftigen Grund, um Sie in Schutzhaft zu stecken. Und abschütteln lassen Sie sich auch nicht. Also sollten wir erst mal etwas für Ihre Sicherheit tun.«
Der Ortszipfel Hustadt im Bochumer Stadtteil Querenburg war eine betongeprägte Region. Kaum ein Wohnhaus trug weniger als fünf Etagen über dem Fundament und auch die Klötze der angrenzenden Ruhr-Universität sowie des Opelgeländes machten das Panorama nicht wesentlich anschaulicher. Nichtsdestotrotz überquerten wir einen Grüngürtel, als wir das Ballungsgebiet der Hochhäuser verließen.
Gregor war bärbeißig. Er fuhr drakonisch über den Ruhrschnellweg, verschmähte die ollen Zigarettenstummel und perzte stattdessen eine fabrikfrische Kippe nach der anderen herunter, nicht ohne die Stummel beim Ausdrücken mit einer gewissen Nettigkeit zu behandeln. Nur für den Fall, dass er sie beizeiten wieder anzünden wollte. Ich hatte mein Seitenfenster bereits heruntergekurbelt, doch dessen ungeachtet wurde der Zigarettennebel im Innenraum zunehmend dichter, wofür wahrscheinlich auch Gregors rauchender Schädel verantwortlich war. Meine Augen tränten und juckten, doch ich mied es, ihn wegen seiner Pafferei zurechtzuweisen. Ich war doch nicht lebensmüde.
Gregor parkte das Taxi halb auf dem Bürgersteig. Ein Metallzaun mit fingerdicken Streben und einem faustgroßen Vorhängeschloss trennte uns von dem kuscheligen eingeschossigen Vereinsheim, welches mir Gregor bereits als adäquaten Übungsplatz angekündigt hatte. Er bearbeitete die Klingel am Rande des Zaunes und eine halbe Minute später trat ein junger Mann zu uns heraus. Seine mittelbraunen dünnen Haare hatte er hinter die Ohren gestopft, seine pubertätsbedingten Pickelchen waren bereits aus einigen Metern zu erkennen. Er trug ausschließlich grüne Kleidung. Sein Sweatshirt hatte einen V-Ausschnitt und unter der Sporthose blitzten weiße Tennissocken hervor. Er kam in Turnschuhen, um seinen Nacken herum waren monströse Kopfhörer geschlungen. Als er Gregor sah, lächelte er zuvorkommend. »Lange nicht gesehen«, sagte er und zog das Tor auf. Als würden sie sich seit Ewigkeiten kennen. Dabei war der junge Mann wahrscheinlich nicht einmal 20.
Wir passierten den Durchgang und ich reichte ihm die Hand. »Esther«, stellte ich mich vor.
»Hallo. Ich bin Michael.« Er
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