Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
abfederte.
Ich beobachtete ihn fasziniert und war angetan von seiner Körperhaltung und der Selbstkontrolle, die er ganzheitlich ausstrahlte. Es war, als hätte man den besoffenen, angrophilen Heckenpenner einfach gegen einen anderen Menschen ausgetauscht. Gregor löste den Griff, sicherte die Pistole und legte sie auf das kleine Ablagebrett neben der Spanplattenwand. Sofort machte Michael einen Satz nach vorn und vollführte an der Beretta den üblichen Sicherungsprozess. Eine halbe Minute später lugte auch aus Gregors Waffe eine rote Plastikfahne. Gregor sah zu mir herüber und rückte die klobigen Kopfhörer zurecht.
Michael kehrte zurück und begann zu erklären, wie man die Browning zu laden hatte. Ich lauschte und nickte, tat aber keinen Handgriff, sondern schaute Michael dabei zu. Als er fertig war und mir die Waffe gab, bekam ich Herzklopfen.
»Ab jetzt nur noch in diese Richtung zielen!«, sagte er laut und zeigte auf die Zielscheibe. Ich nickte, was mir unter den schlotzenden Kopfhörer Schwindel bereitete, und stellte mich breitbeinig in der Kabine auf. Ich imitierte Gregor nicht, richtete meine Brust frontal zur Zielscheibe aus. Ich streckte den Arm mit der Waffe aus und legte die andere Hand stützend unter die Faust. An meinem Handballen fühlte ich die raue Oberfläche der Griffschalen. Plötzlich wurde die Pistole sehr schwer. Ich richtete mich nach der verschwindend kleinen Zielvorrichtung über dem Lauf und bekam zittrige Hände, bevor ich abdrückte. Ich kniff die Augen zusammen, bis ich kaum mehr etwas sah, und zurrte den Klammergriff um den Auslöser wie einen geschnürten Sack langsam zu.
Doch es passierte nichts.
»Die Waffe ist nicht entsichert«, merkte Gregor an und löste mit dem Daumen die Mechanik am hinteren Ende des Laufes.
Ich blies die Backen auf, atmete noch einmal durch und drückte ab. Ich fühlte den Rückstoß, der wie ein Stromschlag durch den Schießarm bis zur Schulter schoss. Kaum hatte ich ihn registriert, war es auch wieder vorbei. Ähnlich war es mit dem Schlitten der Pistole, der in Nanosekunden vorrückte und sich neu justierte. Ich schoss insgesamt neun Mal und hatte keine Ahnung, ob und wo ich getroffen hatte.
»Touché«, sagte Gregor.
Meine Atmung flatterte, als wäre ich eben diesen Kugeln, die ich abgefeuert hatte, ausgewichen. Ich fühlte mich gut, sehr gut sogar. Und im gleichen Moment schämte ich mich für das Gefühl.
Gregor ging zu seiner Kabine, um die Zielscheibe heranzufahren. Ich tat das Gleiche mit meiner und Michael pulte in der Zwischenzeit die Plastikfahne durch den Lauf. Die Motoren der Arretierungen surrten genügsam und die Zielscheiben flatterten wie Seidentücher. Gregors Treffsicherheit war wie erwartet hervorragend. Sämtliche abgefeuerte Patronen hatten ihr Ziel erreicht und die inneren Ringe perforiert. Ich hingegen zählte nur fünf Einschüsse.
»Der war doch gut.« Michael zeigte auf ein Loch im mittleren Bereich.
Ich hielt es für den besten Augenblick, um ihm die alles entscheidende Frage zu stellen: »Kann ich bei euch einen Waffenschein machen?«
Er starrte mich ungläubig an. Gregor grinste.
»Einen Waffenschein gibst hier nicht. Du möchtest dir wohl eher einen WBK für eine Waffe zulegen. Sprich: Die Sachkundeprüfung machen.«
Ich nickte eifrig.
Seine Schultern zuckten. »Klar. Dafür musst du bei uns Mitglied werden. 12 Monate. Wettkämpfe. Das ganze Drumherum.«
»Kein Problem«, erwiderte ich sofort.
»Die Aufnahmegebühr beträgt 150 Euro. Jährlich liegst du bei uns bei etwa 100 Euro. Dazu kommen die Kosten für die verschossene Munition. Dafür machen wir üblicherweise einen Deckel auf.«
Ich nickte schwach. »In Ordnung. Kann man bei euch auch in Raten zahlen?«
Die orangefarbene Sonnenscheibe läutete das Ende des Tages ein und die Temperatur war um einige Grade abgesackt. Gregor und ich bestellten diversen Kleinkram in einem Fast-Food-Restaurant und setzten uns ins hinterste Eck der schmuddeligen Bude. Mit seinem seriösen Auftritt in der Schießbude hatte Gregor wieder ein paar Sympathiepunkte gewonnen. Doch hundertprozentig koscher kam mir der Junge nach wie vor nicht vor. Er hingegen schien meine Gegenwart zu genießen. Ansonsten hatte ich kein Argument dafür, warum er sich überhaupt so intensiv mit mir beschäftigte. Vielleicht fehlte ihm eine Aufgabe im Leben. Vielleicht war ihm auch einfach nur langweilig.
»Haben Sie das ernst gemeint, dass Sie mich am liebsten in Schutzhaft stecken
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