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Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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gewordener Unterarmmuskel meinen Kehlkopf zerquetschen. Ich rang nach Luft und würgte. Wie aus der Ferne hörte ich die Jungs, als sie höhnisch lachten. Der eine zeigte mir wieder seine zappelnde Zunge. Er stand direkt vor mir und seine widerliche Zungenspitze berührte beinahe meine Nase. Angeekelt versuchte ich mich von ihm wegzudrehen. Doch alles, was ich zu sehen bekam, waren sein pickeliges Gesicht und seine fleischlose Brust.
    Irgendwann schließlich fühlte ich, wie mein Körper sich aus der Kaninchenstarre löste. Verteidigungshormone stoben aus meinem Hirn durch die verengte Halsschlagader hindurch und trommelten in den Muskelfasern meiner vier Extremitäten zum Angriff. Ich krallte sämtliche Finger in die Armbeuge meines Widersachers, zog mich wie bei einem Klimmzug hinauf und nahm ordentlich Schwung, um mein Gipsbein ins Blaue hinauszuschleudern. Volltreffer. Der Gips flog geradewegs zwischen die Beine des Zungenmeisters, welcher prompt mit einem Schielen in die Knie ging.
    Da waren es nur noch drei.
    Gregor kam im Marschschritt auf die Jungs zu. Ich spürte eine Unruhe hinter mir, Hände wuselten und Stimmen tuschelten. Gregor war weniger als zwei Meter entfernt, als meinem Angreifer auf wundersame Weise plötzlich ein Springmesser aus der Hand wuchs. Per Knopfdruck ließ er die Klinge aus dem Griff schnellen und das Metall funkelte angriffslustig im Laternenlicht. Bei dem Anblick sackte mein Blutdruck ab und meine Umklammerung erschlaffte. Meine Augen schmerzten, weil ich unentwegt auf die Klinge schielte, die irgendwo auf vier Uhr neben meinem Gesicht umhersauste.
    Die Show dauerte allerdings nur einige Sekunden. Gezielt packte Gregor ihn am Handgelenk und zerdrückte irgendwelche Nerven, was ihn dazu veranlasste, mit einem quälenden Gejaule das Messer fallen zu lassen. Keine weitere Sekunde später sah ich, wie Gregors Faust an meinem Ohr vorbei in seine Visage flog. Er riss den schlapp gewordenen Arm von mir fort, nahm das Messer an sich und zog mich wortlos zu dem Taxi. Keiner der anderen Jungs wagte es, sich ihm in den Weg zu stellen. Ich lehnte mich an die Beifahrertür und beobachtete den Spacko mit dem Messer dabei, wie er mit vorgebeugtem Oberkörper seinen Zinken tätschelte.
    »Achmed«, sagte ich, als ich einstieg und grinste Gregor an. Dieser warf das Messer in den hinteren Fußraum und ließ sich schwungvoll hinter das Lenkrad fallen. Seine Miene war völlig ausdruckslos. Es war möglich, dass er diesen heroischen Akt nur aus Eigennutz vollzogen hat, um meine scheinbar nette Gesellschaft weiterhin zu gewährleisten. Trotzdem war ich von seinem Einsatz sehr angetan und fühlte mich ihm auf eigenartige Weise etwas näher, was mich irritierte. Aggression und Gewalt sollten kein Anlass sein, sich jemandem näher zu fühlen. Ich schaute auf seine wirre Haarpracht. Die Erinnerung an das Hakenkreuz war gänzlich in dem Wald von Haaren verschwunden und seine braune Haut machte den Anschein, er wäre ein Abkömmling aus dem Nahen Osten.
    »Hatten Sie früher als Nazi eigentlich eine Glatze?« Ich biss mir auf die Lippe. Im überschwänglichen Gefühl von Nähe war es mir einfach so rausgerutscht und ich faltete mich in der Erwartung, er würde mir seine Faust in den Oberkörper rammen, zu einem Fleischklumpen zusammen. Aber er tat nichts dergleichen. Im Gegenteil. Er antwortete. »Skinheads und Nationalsozialisten sind zwei Paar Schuhe und man sollte sie nicht in einen Topf werfen.« Langsam fuhr er von dem Parkplatz und schlug das Lenkrad in Richtung Autobahn ein.
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte ich.
    »Ich möchte der Pfeiffer einen Besuch abstatten. Ich muss sicher sein, dass die fehlenden Seiten nicht doch irgendwo im Haus herumliegen.«
    Ich sah auf die Uhr. »Ist es für einen Besuch nicht schon ein wenig zu spät?«
    »Wenn man es genau nimmt, ist es sogar noch ein wenig zu früh.«
    Ich verzog die Mundwinkel. »Was haben Sie vor, wollen Sie etwa einbrechen? Während sie schläft?«
    Gregor zwinkerte. »Auch das wäre nicht das erste Mal.«

11.
    Es war zwei Stunden nach Aschenputtelzeit und der Sichelmond, kaum breiter als ein Fingernagel, hing tief im Dickicht der Kastanienbäume, die sich stramm wie Soldaten hinter den Wohnhäusern aneinander reihten. Gregor hatte einen dunkelblauen Escort organisiert. Wir saßen in der Fahrerkabine und sprachen die letzten Details durch. Der Wagen stank nach Benzin und Öl, die Sitze waren aufgeschlitzt und der Schaumstoff quoll hervor. Das Auto war

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