Terra Mater
Geschwindigkeit. Die auf Umkehrschub gedrosselten Motoren heulten wie Sirenen, und ein roter, am Rumpf vorbeigleitender Hitzeschweif vermittelte den Eindruck, als würde das Raumschiff gleich zerbersten.
Jek stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Schon konnte er Gebäude und Straßen erkennen. Offensichtlich war die Stadt Nea-Marsile nicht sehr groß, viel kleiner als Anjor, die Hauptstadt Ut-Gens.
In diesem Augenblick wurde die Papiduc von einem mächtigen Stoß erschüttert. Jek verlor den Boden unter den Füßen, fiel hin und wurde gegen den Metallrahmen seiner Koje geschleudert. Erst beim Aufstehen sah er das an der Decke befestigte Hinweisschild mit der Anweisung: Legen Sie sich während des Landemanövers in Ihre Koje, und schnallen Sie sich an.
Er kümmerte sich nicht darum und stellte sich trotz seiner schmerzenden Rippen wieder vor das Bullauge. Das Raumschiff schwebte jetzt wie ein riesiger Greifvogel über dem in der Sonne liegenden Flughafen. Er konnte den Tower erkennen, eine gläserne Nadel, die Spitze gespickt mit Parabolantennen. Er sah Verwaltungsgebäude und große Flugzeughallen sowie Lande- und Startpisten, auf denen winzige gelbe Gestalten umherliefen. Er entdeckte andere, viel kleinere Luftschiffe als die Papiduc. Wegen ihrer Größe – fünfhundert Meter vom Bug zum Heck – mussten mehrere
Pisten geräumt werden, damit sie landen konnte, was auch bald darauf erstaunlich sanft geschah.
Als die Motoren abgestellt wurden, senkte sich eine friedliche Stille über das Gelände. Löschfahrzeuge fuhren aus allen Richtungen herbei, und Männer in Schutzanzügen richteten ihre Schläuche auf die Stellen des Raumschiffs, die bei dem Eintritt in die Atmosphäre am meisten erhitzt worden waren.
Eine Stunde später hatte sich die Temperatur so weit abgekühlt, dass die Gangways ausgefahren werden konnten. Zu deren Füßen hatten sich schwarz gekleidete Intelisten aufgestellt, um die Passagiere mit ihren Zellularidentifikatoren zu kontrollieren.
Jetzt bangte Jek um seinen Freund Marti. Zwar kannten sie sich noch nicht lange, doch dem kleinen Anjorianer gefiel der Gedanke, der enge Freund eines syracusischen Adeligen zu sein, der den Imperator Menati und seine schöne Gemahlin persönlich kannte. Sollten die Zellularkoordinaten Martis auf der Memodiskette gespeichert sein, hätte der Syracuser keine Chance, unentdeckt von Bord zu gehen. Er würde gefangen genommen, auf seinen Heimatplaneten expediert und dort zum Tod am Feuerkreuz verurteilt werden.
Die Emigranten aus den Skoj-Welten stiegen als Erste aus. Zwar hatten sie von den Interlisten nichts zu befürchten, doch umso mehr von den franzianischen Beamten, die ihnen meistens den Aufenthalt auf ihrem Planeten verweigerten. Obwohl er genug Platz für diese armen Teufel bieten würde. Die meisten waren mit ihrem letzten Geld und voller Hoffnung aus ihrer überbevölkerten und verseuchten Heimat ausgewandert. Ohne Aufenthaltsgenehmigung und Geld, um auf andere Planeten wie Alemane, Spain oder
Nouhenneland weiterzureisen, würde sie ein kreuzianischer Kardinal, der das Amt des Gouverneurs ausübte, sofort in ein Lager sperren, wo sie die niedersten Arbeiten würden verrichten müssen.
Jek mochte die Skojs. Sie waren gastfreundlich, warmherzig und großzügig. Sie lachten und sangen viel, und ihre Frauen waren sehr schön. Als er sie jetzt in einer langen Schlange von Bord gehen sah, hoffte er, dass sich ihre Träume von einem neuen Leben nicht in Albträume verwandeln würden.
Er versuchte, in dem nicht enden wollenden, drei Stunden andauernden Menschenstrom Marti zu entdecken. Vergebens. Müde geworden, probierte er ein letztes Mal, die Tür zu öffnen. Sie blieb geschlossen. Verzweifelt legte er sich in seine Koje und dachte an den alten Artrarak. Der Quarantäner hatte nicht vorausgesehen, dass der Doge, der Mann, dem er einst das Leben gerettet hatte, seinen, Artraraks Schützling bis ans Ende aller Zeiten einsperren würde …
Ein Klicken weckte Jek. Er war schweißüberströmt.
Als er die Augen öffnete, war seine Kabine in diffuses Zwielicht getaucht. Vom Flughafen drangen Lautsprecherdurchsagen und der gedämpfte Lärm der in der Nähe liegenden Stadt an sein Ohr.
Plötzlich sah er, dass seine Kabinentür halb offen stand. Ein Lichtstrahl fiel durch die Öffnung bis zur Wand.
Was soll ich jetzt tun?, fragte er sich minutenlang. Hat der Doge Papironda im letzten Augenblick seine Meinung geändert? Wohl
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