Terror: Thriller (German Edition)
fünfundzwanzig, dreißig Jahre alt. Seine Wangen waren eingefallen, die kurzen, schwarzen Haare blutverklebt. Die Wunde an seiner Stirn musste auf jeden Fall behandelt werden.
»Sie brauchen einen Arzt«, sagte Marc, aber der Mann reagierte nicht.
Ein Geräusch in seinem Rücken ließ Marc zusammenfahren. Eine dicke, struppige Ratte kletterte mit schnellen, fahrigen Bewegungen über das Paar Schuhe hinweg, und schob sich dann, eng an die Wand gepresst, weiter in Richtung Treppe. Marc hörte ihre Pfoten, die über die Fliesen trippelten. Sie verschwand irgendwo im Mauerwerk neben der Treppe. Jetzt wusste er, wo der beißende Geruch herkam. Vermutlich hauste hinter dieser Mauer eine ganze Kolonie Ratten.
»Haben Sie Verbandszeug im Haus?«
Der Mann antwortete nicht. Er hatte die Augen geschlossen. Zumindest das Blut müsste er ihm aus dem Gesicht wischen, dachte Marc. Er suchte in den Taschen seiner Jeans nach einem Taschentuch, aber da war nichts, klar, die Hose kam direkt aus dem Koffer.
Der Mann versuchte etwas zu sagen, aber es waren nur kratzende Geräusche, die er hervorbrachte. Marc beugte sich zu ihm hinunter. »Come? Was haben Sie gesagt?«
Die Zähne des Mannes waren schlecht, links neben den Vorderzähnen fehlte eine ganze Reihe, mindestens zwei oder drei. Zwischen den unteren Zähnen des Mannes schimmerten dünne rote Fäden. Marc war irritiert, bis er verstand, dass es sich um Blut handelte, das von der Zunge in die Zahnzwischenräume gedrückt wurde. Der Mann hatte den Mund voller Blut. Er räusperte sich, schluckte und versuchte es noch einmal: »Wasser … bitte.«
Marc sah sich in der Diele um. Wo sollte er hier Wasser herbekommen? Der Mann deutete auf die Treppe, die nach oben führte. Marc richtete sich auf und ging mit schnellen Schritten die Treppe hinauf. Die Küche war gleich rechts. Die Tür stand offen. Marc machte Licht. Auch hier hing eine nackte Glühbirne von der Decke. Ein Tisch an der Wand, ein Stuhl davor. Ansonsten gab es hier außer der Spüle keine Möbel. Ein Teller, ein Glas, eine Tasse standen neben dem Spülbecken. Unter der Spüle entdeckte Marc eine Rolle Küchentücher. Er drehte den Wasserhahn auf. Die alten Leitungen ächzten, es dauerte eine Weile, bis Wasser aus dem Hahn ins Glas sprudelte. Marc schnappte sich die Rolle mit Küchentüchern und ging wieder nach unten.
Er reichte dem Mann das Glas. Während er gierig trank, versuchte Marc, ihm das Blut aus dem Gesicht zu wischen. Die Wunde sah schlimm aus. Sie musste behandelt werden, und zwar fachmännisch. Er selbst traute sich das nicht zu.
»Kommen Sie, ich bring Sie ins Krankenhaus.« Marc versuchte, seine Stimme so beruhigend und sachlich klingen zu lassen, wie ihm das möglich war, mit einem Blutfleck auf der Jeans, der sich von seinem linken Oberschenkel bis zum Knie hin ausgedehnt hatte und sich noch immer warm anfühlte. »Sie müssen zu einem Arzt. Die Wunde muss genäht werden.« Aber der Mann reagierte nicht. War es möglich, dass er Marc einfach nicht verstand? Hatte er sich falsch ausgedrückt? Aber »Ospedale« und »Medico« waren doch Wörter, die nicht misszuverstehen waren. Marc baute sich im Geiste einen italienischen Satz zusammen, überprüfte ihn und versuchte es dann noch einmal: »Bitte, Sie sind schwer verletzt. Ich hole mein Auto und fahre Sie ins Krankenhaus.« Der Mann sah Marc mit seinen dunklen Augen an. Fast schien es, als nehme er Marc jetzt erst richtig wahr. »Non posso – ich kann nicht«, sagte er. Marc war sicher, ihn akustisch richtig verstanden zu haben. Aber was konnte er nicht? »Cosa non può?«
»Ins Krankenhaus gehen … ist unmöglich.«
Marc verstand die Worte, aber er kam nicht hinter ihren Sinn. Er spürte, wie ihn eine bleierne Müdigkeit überfiel. Was sollte er jetzt machen?
»Chiamo la polizia?«
Plötzlich kam Bewegung in den geschundenen Körper. Der Mann richtete sich auf. Er stützte sich auf die Ellenbogen und sah Marc mit weit aufgerissenen Augen an.
»Nein! Keine Polizei.« Seine Stimme war laut und voller Panik. Marc erschrak. Er kniete hilflos vor dem Mann. Er konnte ihn weder zwingen, sich behandeln zu lassen, noch zur Polizei zu gehen. Er versuchte, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
»Wenn ich Ihnen helfe, meinen Sie, Sie können dann aufstehen?«
Der Mann nickte. »Ja, ich glaube.«
»Dann legen Sie sich jetzt ins Bett und ich hole Verbandszeug, okay?«
»Sie sind kein Italiener, oder?«
»Nein, ich bin
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