Terror: Thriller (German Edition)
Deutscher.«
»Gut.« Der Mann wirkte aus irgendeinem Grund beruhigt. Er setzte sich auf, sodass Marc ihm unter die Arme greifen und ihn hochziehen konnte. Der Mann kam schwankend auf die Beine. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Treppe. »Das Bett ist oben.« Marc stützte den Mann. Er atmete schwer. Sie mussten immer wieder Pause machen. Links von der Treppe, der Küche gegenüber, war das Schlafzimmer. Der Mann machte Licht. Ein Feldbett stand im Raum, das Laken war zerwühlt, die Bettdecke auf den Steinboden gefallen, am Fußende stand der Fernseher, ein Kleiderschrank auf der anderen Seite. Sonst war der Raum leer. Es war eiskalt. Der Mann ließ sich stöhnend aufs Bett fallen. Marc sah seinen dampfenden Atem. Er hob die Bettdecke vom Boden auf und legte sie über den Mann, der die Augen schon wieder geschlossen hatte. Marc sah sich im Raum um: Über dem Bett löste sich die Tapete von der Wand, darunter kam Zeitungspapier zum Vorschein. Irgendwann einmal hatten an diesen kahlen Wänden Bilder gehangen. Die Abdrücke waren noch deutlich zu sehen. Aber jetzt war in diesem Raum nichts Persönliches mehr zu entdecken. Wie in der Küche war auch hier alles auf das absolut Nötigste beschränkt. Marc stand hilflos vor dem Bett. Wie trostlos es hier war! Er räusperte sich.
»Ich gehe zum Auto und hole Verbandszeug, bin gleich wieder da.«
Der Mann zeigte keine Reaktion. Marc ging aus dem Raum, eilte die Treppe hinunter in die blutbespritzte Diele und war froh, ins Freie zu kommen. Er ließ die Tür offen stehen, ging schwer atmend ein paar Meter die Dorfstraße entlang und wandte sich dann noch einmal um: Der geisterhaft öde Straßenzug beleuchtet von der einzigen Laterne, das Haus mit der Drahtgittertür und der verblassten 1, das Licht, das durch die geöffnete Tür auf den Asphalt der Dorfstraße fiel und sich in einer Pfütze spiegelte. Er riss sich los und ging weiter. Seine Schritte kamen ihm sehr laut vor in der Stille. Als er zum Auto auf den Kirchplatz trat, schlug die Kirchturmuhr zweimal. Marc öffnete den Kofferraum. In diesem Moment fiel ihm auf, dass er keine Ahnung hatte, wo er den Verbandskasten suchen sollte. Er hatte ihn noch nie benutzt. Während er im Kofferraum herumfuhrwerkte, stellte er fest, dass sein Hände zitterten. Der wütende Nachbar fiel ihm ein. Konnte es möglich sein, dass er seine Drohung wahr gemacht hatte, weil der Fernseher zu laut war und er schlafen wollte? Aber er hatte mindestens zwei Männer am Haus vorbeirennen gehört und ein Auto, das mit großer Geschwindigkeit bergab gefahren war, Richtung Vessalico. Das sprach gegen den Nachbarn. Da war offenbar jemand von außerhalb gekommen. Keine spontane Prügelei, sondern ein geplanter Überfall. Er würde den Mann fragen. Wo war der verdammte Verbandskasten? Er hob alles hoch, was noch im Kofferraum herumlag: seine Bergschuhe, Annas Gummistiefel, ein paar Stofftiere, und endlich entdeckte er den Verbandskasten: unter der Bodenabdeckung, neben dem Reserverad. Er nahm ihn heraus und schlug den Kofferraum zu. Der Knall muss im ganzen Arroscia-Tal zu hören gewesen sein, dachte Marc.
Zwischen Vessalico und Lenzari,
Freitag, 4. Juni 2010, 16:38 Uhr
Sie hatten noch genau zwölf Kurven vor sich. Fabrizio kannte die Strecke in- und auswendig. »So viel Blut«, hatte Anna gesagt. Er bekam eine Gänsehaut, ohne erklären zu können, warum. Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett. 16:38 Uhr zeigten die roten Digitalziffern an. Der Regen schien nachzulassen, aber die Sicht wurde immer schlechter. Nebelfelder krochen vom Berg her auf sie zu. Es wurde schlagartig dunkler. Fabrizio schaltete die Scheinwerfer an. Die Reflektoren an der Leitplanke leuchteten. Er hatte etwa fünfzig Meter gerader Strecke vor sich und gab Gas. Der Motor des Alfas heulte auf.
»Willst du uns umbringen?«, schrie Cesare. »Es ist neblig. Fahr langsam!«
Fabrizio ging vom Gas. »Ich will wissen, was mit dem Mädchen passiert ist«, sagte er entschuldigend.
»Ich auch. Aber erst mal müssen wir lebend ankommen.« Cesare hielt den Haltegriff über der Tür umklammert, beugte sich nach vorne und schaute prüfend in den immer dunkler werdenden Himmel.
»Scheißwetter«, schimpfte er. Aber er war jetzt wach und konzentriert.
Die Olivenbäume rechts und links der Straße standen wie alte, müde Geister am steilen Hang. Der Nebel ließ ihre Konturen unscharf werden. Der Wagen bog um die nächste Kurve. Dahinter veränderte sich die Landschaft. Sie waren
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