Terror: Thriller (German Edition)
mehrmals über die Tischdecke, »wir nennen ihn nur so, ›il marocchino‹«.
»Eigentlich bekommen wir von ihm auch nichts mit. Er darf ja das Haus nicht verlassen. Er hat so eine elektronische Fußfessel, wisst ihr.«
»Wie versorgt er sich denn, wenn er das Haus nicht verlassen darf?«
»Der hat doch hier ein Luxusleben!« Massimos Stimme klang verächtlich. »Einmal die Woche kommen die Carabinieri aus Pieve hoch, um nach ihm zu sehen, und zweimal wöchentlich wird er von der Justizbehörde mit Lebensmitteln versorgt.«
Daher also der Computerausdruck mit den Telefonnummern, dachte Marc.
»Die liefern ihm alles frei Haus, und dann kriegt er noch irgendeine psychologische Betreuung oder so was.« Massimo war wütend. »Den Ausländern stopfen sie selbst im Gefängnis alles in den Arsch und den eigenen Leuten kürzen sie die Renten.«
Das war angesichts der Ausländerpolitik der Regierung Berlusconi eine gewagte Aussage, fand Marc. In Zukunft würde er politischen Diskussionen in diesem Haus besser aus dem Weg gehen. Aber im Moment ließ sich das Thema leider nicht vermeiden.
»Was hat er verbrochen?«, fragte Conny. Aber Massimo und Sandra zuckten mit den Schultern. Sie wussten es nicht genau.
»Irgendwas mit Drogen, hab ich gehört.« Massimo nahm einen Schluck Wein.
»Als wir ankamen«, erinnerte sich Marc, »lief sein Fernseher. Ziemlich laut. Der Nachbar hat sich beschwert …«
»Ja, Mario«, Sandra lachte. »Der beschwert sich dauernd.«
»Er hat ihm offen gedroht. Ist es möglich, dass er den Marokkaner zusammengeschlagen hat?«
Da beugte sich Massimo leicht vor und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Nicht sehr heftig, aber ausreichend, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
»Kümmert euch nicht um den Marokkaner!« Er sah Marc und Conny scharf an. Marc staunte über die Aggressivität, die trotz seines Alters von Massimo ausging. Plötzlich saß er einem völlig anderen Mann gegenüber als dem, der anfangs so freundlich, fast gütig auf ihn gewirkt hatte. Marc war verunsichert. Eine merkwürdige Situation: Er war hier zu Gast, trank Massimos Wein, und natürlich wollte er nicht unhöflich sein. Aber er hatte auch keine Lust, sich abkanzeln zu lassen. Und vor allem wollte er sich nicht verbieten lassen, seine Fragen zu stellen.
»Der Marokkaner ist halb totgeprügelt worden. Man kann doch nicht so tun, als wäre nichts gewesen.«
»Das geht uns nichts an.« Massimo lehnte sich zurück und verschränkte die Arme über der Brust. Im Ärmel seines Pullovers war ein großes Loch.
»Mario ist zweiundsiebzig Jahre alt«, sagte Sandra, »der verprügelt niemanden mehr.«
Conny lachte, aber es klang ziemlich gezwungen. Anna sah verwirrt vom einen zum anderen. Sie verstand nichts von dem, was gesprochen wurde, aber die angespannte Stimmung im Raum bekam sie sehr wohl mit. Sie streichelte die Katze, deren Schnurren immer lauter wurde.
»Wer war es dann?«, fragte Marc. »Er selbst hat mir gesagt, es seien Polizisten gewesen.«
»Das ist doch Unsinn!« Massimo versuchte nicht mehr, seine Wut zu verbergen. »Wenn er wirklich verprügelt worden ist …«
»Ich habe ihn doch da liegen sehen … das ganze Blut …«
»Wenn er wirklich verprügelt worden ist, dann von den eigenen Leuten.«
»Was für eigene Leute?«
»Verbrecher, Ausländer … keine Ahnung. Irgendwelche anderen Drogendealer …«
»Noch jemand ein Schluck Wein?« Sandra hielt die Flasche in die Höhe. Marc und Conny schüttelten stumm die Köpfe. Das Schnurren der getigerten Katze war das einzige Geräusch im Raum. Die Rauchschwaden standen bewegungslos unter der Zimmerdecke. Marc hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Als sie sich gegen 19:30 Uhr verabschiedeten, versuchten alle so zu tun, als habe man einen harmonischen Abend miteinander verbracht.
»Kommt vorbei, wann immer ihr wollt«, sagte Massimo, »und meldet euch, wenn ihr irgendwelche Fragen habt, was das Haus angeht.«
Als sie ins Freie traten, schlug ihnen die kalte Bergluft entgegen. Marc atmete tief durch, er hatte das Gefühl, seine Lungen seien bis obenhin mit Tannennadelrauch angefüllt. Der Himmel war sternklar. Sie gingen schweigend in Richtung Auto, nur Anna erzählte pausenlos von Katzen, Jagdhunden und Rattenbabys, die zusammen in einem Märchenschloss lebten.
Als sie den Wagen erreicht hatten, sah Marc Conny an. »Und?«
»Ich will nach Hause«, sagte sie, und ihre Stimme klang entschlossen.
»Lass uns noch eine Woche
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