Terror: Thriller (German Edition)
aufgebrochen worden war. Das Holz war gesplittert, das Schloss mit einem Stemmeisen oder etwas Ähnlichem herausgebrochen.
»Signora!«, rief Cesare.
Aber Elisa Noè antwortete nicht.
Lenzari, Samstag, 30. Januar 2010, 18:10 Uhr
Es war bereits dunkel, als sie das Haus von Massimo und Sandra erreichten. Marc konnte nicht fassen, dass es so spät geworden war. Den ganzen Tag hatte er diesem Moment entgegengefiebert. Das als Höflichkeitsbesuch geplante Treffen hatte durch die Ereignisse der letzten Nacht eine ganz andere Bedeutung bekommen. Marc hoffte, dass Massimo und Sandra ihm etwas über den Nordafrikaner erzählen könnten. Er hoffte auf eine Information, die die Geschehnisse der letzten Nacht irgendwie aufklären würde. Den ganzen Tag lang hatte er sich das Hirn zermartert und war immer wieder gescheitert bei dem Versuch, des Ganzen mit logischem Denken Herr zu werden. Die Eindrücke waren noch so präsent: Die Schreie aus dem Babyfon, der blutüberströmte Mann in der Diele, das Tape um seinen Mund, die Männer, die am Haus vorbeigerannt und mit dem Auto weggefahren waren, der wütende Nachbar mit seiner Drohung, die Ratten, und immer wieder die Behauptung des Mannes: »Es waren Polizisten.« Marc bekam es einfach nicht zusammen, und das machte ihn verrückt. Zudem hatte er den Tag damit zugebracht, mit Conny zu diskutieren, die Lenzari am liebsten sofort wieder verlassen wollte. Marc hatte versucht, sie zu beruhigen. Sie könnten die Lage ja noch gar nicht richtig einschätzen, hatte er argumentiert und vorgeschlagen, auf jeden Fall so lange in Lenzari zu bleiben, bis sie genau wüssten, was da eigentlich passiert war.
»Was willst du denn noch wissen? Du warst doch da. Du hast den Typen doch da liegen sehen, schwer verletzt«, hatte Conny ihn angefaucht.
»Aber wir wissen doch gar nichts über die Hintergründe …«
»Ich will die Hintergründe gar nicht wissen! Ich bleibe doch nicht an einem Ort, wo nachts die Leute halb totgeprügelt werden.«
Marc wusste, dass sie recht hatte. Trotzdem musste er herausfinden, was passiert war. Er schaute an der Fassade des Hauses nach oben, in dem Massimo und Sandra lebten. Die Fensterläden waren geschlossen. Das Haus lag im oberen Ortsteil von Lenzari direkt an der Straße nach Gazzo. Wütendes Gebell war zu hören. Ein paar Meter weiter oben stand ein Hundezwinger. So wie es klang, wurden darin mindestens fünf Jagdhunde gehalten.
Anna stand auf der Straße, starrte bewegungslos in Richtung Hundezwinger und hielt sich die Ohren zu.
»Die sollen aufhören«, sagte sie ängstlich.
»Komm, Schatz«, Conny legte ihr den Arm um die Schultern, »wir gehen jetzt rein.« Sie warf Marc einen ernsten Blick zu. Sie hatten beschlossen, ihre Entscheidung, hierzubleiben oder nach Berlin zurückzufahren, von dem Gespräch mit Massimo und Sandra abhängig zu machen.
Marc holte die »Mitbringsel« aus dem Kofferraum: ein Original Erzgebirgisches Räuchermännchen vom Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei (Sandra) und ein 10-Liter-Fässchen Rothaus-Pils mit Zapfanlage (Massimo). Und Anna entdeckte einen kleinen Hund mit niedlichen Schlappohren, der gerade sein Bein hob und an den linken Hinterreifen des Wagens pinkelte.
»Ist der süß!« Anna war hingerissen. »Wie heißt denn der?«
»Keine Ahnung. Aber das finden wir noch raus.«
»Dann heißt er erst mal ›Hund‹«, beschloss Anna. »Hund« ging zum Vorderreifen, hob sein Bein, pinkelte und verschwand in der Dunkelheit.
Sie standen vor der ausgetretenen Steintreppe, die unter dem Haus durch nach oben führte.
»Ein Tunnel!«, rief Anna begeistert. Sie gingen die Stufen hinauf. Links ging eine Tür ab, eine Kellertür offenbar, aber Marc rief vorsichtshalber laut »Permesso!« Keine Reaktion. Nur eine getigerte Katze schreckte hoch und verschwand hinter einem Oleanderbusch.
Sie standen nun im Garten. Rechts war der Hühnerstall. An einer Wäscheleine hing Wäsche zum Trocknen; Arbeitskleidung und Unterwäsche, die Marc dazu verleitete, noch einmal laut »Permesso!« zu brüllen. Lautes Gegacker – offenbar hatte er die Hühner aufgeschreckt.
»Mein Gott! Musst du so rumbrüllen?«
»Ja. Das gehört sich so.«
Und endlich ging oben die Türe auf und eine kleine Frau mit wettergegerbtem Gesicht und freundlichen Augen trat auf die Treppe und sagte: »Buona sera. Siete arrivati?«
Massimo und Sandra waren beide Mitte sechzig, schätzte Marc. Massimo hatte ein scharf geschnittenes Gesicht, volles weißes
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