Terror: Thriller (German Edition)
hier bleiben und dann entscheiden, okay?«
Von Gazzo drang Motorengeräusch zu ihnen herüber.
»Zwei Tage, mehr nicht«, sagte Conny.
»Drei.«
»Okay.«
Sie stiegen in den Wagen.
Lenzari, Montag, 1. Februar 2010, 15:20 Uhr
Den ganzen Vormittag hatte es gestürmt. Um Mittag hatte der Wind nachgelassen. Seither hingen die Wolken bleiern über Lenzari, und gegen 15 Uhr hatte es zu schneien begonnen. Marc sah auf den Monitor seiner Mini- DV -Kamera und zoomte ein paar Schneeflocken heran. Sie hatten das ganze Wochenende über im Haus herumgewerkelt – Wäsche gewaschen, den Tisch vor der Verandatür beiseite geräumt, den Keller inspiziert –, sodass er erst jetzt dazu kam, die Kamera aufzubauen. Den Plan dazu hatte er nach ihrem Besuch bei Massimo und Sandra gefasst: Um dem Marokkaner helfen zu können, musste er sich zunächst einmal Klarheit verschaffen. Er musste herausfinden, ob an seinem Verdacht, diejenigen, die ihn zusammengeschlagen hatten, seien Polizisten gewesen, etwas dran war. Marc wollte ab sofort jede Bewegung vor dem Haus des Marokkaners aufzeichnen. Genug Bänder hatte er dabei. Er hatte das Stativ im obersten Stock, vor der Tür zur Dachterrasse aufgebaut. Von hier aus konnte er mit der Kamera die zwanzig Meter Dorfstraße zwischen ihrem und dem Haus des Marokkaners überwachen. Wer immer ihn besuchte – erwünscht oder unerwünscht –, würde von Marcs Kamera aufgezeichnet werden. Das wäre der erste Schritt. Marc stellte zufrieden die Schrauben des Stativs fest. Er hatte gemerkt, dass er nicht mehr länger warten durfte, denn auch die eindrücklichsten Erlebnisse verblassten, wenn man nur lange genug mit Anna Uno spielte, Tische verrückte oder Keller erforschte. Vielleicht wäre er morgen schon selbst davon überzeugt, dass der Mann ein Spinner war, ein krimineller Drogensüchtiger, dem er nur aus Höflichkeit ein Versprechen gegeben hatte. Vielleicht würde er sich morgen schon nicht mehr gebunden fühlen durch dieses Versprechen. Das Risiko wollte er nicht eingehen. Er warf noch einmal einen prüfenden Blick auf den Monitor, dann drückte er auf Aufnahme. Es war 15:32 Uhr.
Eine halbe Stunde später stapfte er neben Anna durch den Schnee. So richtig liegen blieb er noch nicht. Anna sah den Schneeflocken nachdenklich beim Schmelzen zu.
»Das lohnt sich doch gar nicht.«
»Was?«
»Wenn Schnee eigentlich Regen ist und dann auf dem Boden sofort wieder Wasser wird, dann lohnt sich das doch nicht.«
»Na klar lohnt es sich. Wenn es jetzt regnen würde, hättest du wahrscheinlich nicht unbedingt rausgewollt, oder?«
»Stimmt.«
»Außerdem: Wenn die Schneeflocken das jetzt lange genug so machen, bleiben sie irgendwann liegen.«
»Au ja. Wann?«
»Weiß ich nicht. Der Boden muss kalt genug sein.« Marc hatte das Haus des Marokkaners erreicht. Alle Fensterläden waren zugezogen. Der Fernseher lief. Aber leiser als sonst. Er beschloss, auf dem Rückweg anzuklopfen und dem Marokkaner zu erklären, was er vorhatte.
»Komm, Anna!«
Aber Anna stand mit weit geöffnetem Mund auf der Dorfstraße und fing Schneeflocken mit ihrer Zunge ein – was schwierig war, weil sie immer wieder lachen musste.
Schließlich erreichten sie das letzte Haus. Hier ging die Dorfstraße in einen Feldweg über, der leicht bergab führte. Anna spielte Pferd, Apfelschimmel genauer gesagt, und trabte vorneweg. Und die Schneeflocken tanzten und trudelten, um schließlich doch auf dem zu warmen Boden zu schmelzen.
»Guck mal, Schnittlauch!«, rief Anna. Marc trat zu ihr. Tatsächlich wuchs mitten auf dem Feldweg büschelweise Schnittlauch.
»Hat den jemand hier gepflanzt?«
»Glaub ich nicht. Wahrscheinlich sind die Samen vom Wind hierhergetragen worden.«
»Und wem gehört der jetzt?«
»Niemandem.«
»Dann können wir den ja mitnehmen.«
»Im Prinzip ja.«
»Was heißt ›im Prinzip‹?«
Marc fühlte eine plötzliche Hilflosigkeit. Sein Mund war wie gelähmt. Wie schön wäre es, einfach mal gar nichts mehr erklären zu müssen.
»Du-hu!«
»Also ›im Prinzip‹ heißt … dass der Schnittlauch eigentlich niemandem gehört.«
Kurze Pause.
»Kann ich den jetzt pflücken oder nicht?«
»Pflück ihn.«
Anna pflückte. Marc sah ihr dabei zu. Der Schneefall wurde kräftiger. Marcs Handy klingelte. Seit er festgestellt hatte, dass es im Haus keinen Empfang gab, nahm er es immer mit nach draußen, um unterwegs eingegangene Anrufe oder Kurznachrichten zu überprüfen. Marc sah auf dem Display, dass es
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