Terror: Thriller (German Edition)
Nick war.
»Hi Nick, alles klar?«
»Geht so.« Nick hustete. Es hörte sich schlimm an. Er wollte wissen, ob Marc im März Zeit hätte, einen Nivea-Werbespot zu drehen. Ein erstes Treffen sollte in zwei Wochen in Berlin stattfinden. Marc versprach ihm, es so schnell wie möglich mit Conny zu besprechen und ihn dann zurückzurufen. Er legte auf und sah auf dem Display, dass jemand eine Nachricht auf seine Mailbox gesprochen hatte. Da Anna noch immer friedlich Schnittlauch pflückte, nutzte er die Zeit, um die Nachricht abzuhören. Es war Klaus, sein Freund und Nachbar. Er wohnte im selben Haus in Prenzlauer Berg. Bevor Klaus vor zwei Jahren Hartz IV beantragt hatte, hatte er sich eher schlecht als recht mit kleineren journalistischen Arbeiten, Recherchen und Ähnlichem durchgeschlagen. Jetzt erzählte er atemlos von einem neuen Projekt, von dem Marc nur verstand, dass es irgendwas mit der Gentrifizierung des Prenzlauer Bergs zu tun hatte. Marc beobachtete zwei Schneeflocken, die auf seinem rechten Schuh Platz genommen hatten. Es dauerte lange, bis sie schmolzen.
»Geh schon mal alleine ins Haus«, sagte Marc, als sie zurückkamen. »Warum?«
»Ich muss noch schnell was aus dem Auto holen.«
»Ich komm’ mit.«
»Nein. Geh bitte schon mal zu Mama. Ich komm’ gleich nach.« Er wollte nicht, dass Anna dabei war, wenn er mit dem Marokkaner sprach. Er wollte nicht, dass er sie sah.
Der Apfelschimmel wieherte unzufrieden, trabte dann aber doch den schmalen Durchgang hinunter zum Hauseingang.
»Bis gleich!«, rief Marc und ging in Richtung Kirchplatz, wo das Auto stand. Auf halbem Weg, als er sicher sein konnte, dass Anna im Haus angekommen war, drehte er um und ging zurück zum Haus des Marokkaners. Der Fernseher lief immer noch. Marc klopfte gegen die Haustür.
»Permesso!«
Nichts. Der Fernseher lief in unveränderter Lautstärke weiter. Wenn es stimmte, dass der Marokkaner eine elektronische Fußfessel trug und das Haus nicht verlassen durfte, konnte er ja wohl schlecht unterwegs sein. »Ich kann nicht ins Krankenhaus«, hatte der Marokkaner in jener Nacht gesagt. Hatte er Angst gehabt, dass seine Fußfessel Alarm auslösen würde? War seine Angst vor der Polizei tatsächlich so groß, dass er lieber darauf verzichtete, seine Verletzungen behandeln zu lassen?
Marc klopfte noch einmal, lauter jetzt.
Für einen Moment hatte er den Eindruck, dass sich eine Gardine im Fenster des gegenüberliegenden Hauses bewegte. Er war sich aber nicht sicher.
»Permesso!«, rief er noch einmal. Aber aus dem Haus des Marokkaners war kein Geräusch zu vernehmen außer dem des laufenden Fernsehers. Marc rüttelte an der Tür. Keine Chance. Schließlich wandte er sich um und ging unverrichteter Dinge nach Hause. Dort nahm er sich die Videokamera vor.
Er drückte auf Stopp und spulte das Band zurück. Er sah sich selbst vor dem Haus des Marokkaners stehen, sah, wie er an die Tür klopfte und etwas rief. Der Ton fehlte natürlich. Marc spulte weiter zurück: Er und Anna, die mit den hölzernen, ruckartigen Bewegungen des Rücklaufmodus’ von ihrem Haus weg in Richtung Feldweg und schließlich aus dem Bild katapultiert wurden. Zwei Marionetten auf Speed. Eine längere Pause, dann schoss »Hund« ins Bild wie eine Flipperkugel, die von der linken zur rechten Straßenseite geschleudert wird und jedes Mal, wenn sie auf eine Häuserwand trifft, ein Beinchen von sich wirft.
»He’s a Pinball Pisser«, schoss es Marc durch den Kopf. Er musste grinsen.
Dann passierte lange gar nichts. Am Schluss kamen noch einmal er und Anna. Vom Feldweg her bewegten sie sich mit dem Rücken zur Kamera in rasender Geschwindigkeit auf das Haus zu. Und plötzlich drehte sich Anna wie ein Kreisel. Marc drückte auf Stopp und ließ das Bild in normaler Geschwindigkeit laufen: Anna drehte sich mitten auf der Dorfstraße um sich selbst. Sie lachte und versuchte mit ihrer Zunge Schneeflocken zu fangen.
Pieve di Teco, Freitag, 4. Juni 2010, 17:30 Uhr
Das Handy klingelte zum dritten Mal. In der Stille des Krankenzimmers kam es Carla überlaut vor. Das konnte die Chance sein. Sie beobachtete Anna. Sie hatte sich beim ersten Klingeln furchtbar erschrocken, doch nun ging ihr Blick ins Leere. Das Klingeln schien sie nicht mehr zu interessieren.
»Ich geh mal ran, Anna, ja?«
Aber Anna reagierte nicht. Das Handy klingelte weiter. Carla kramte es aus Annas Hosentasche hervor und nahm ab.
»Hallo?« Sie bemerkte die Irritation ihres Gegenübers
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