Terror: Thriller (German Edition)
Tee.
Der Marokkaner nickte.
»Ja, ich verstehe.«
Marc holte das Schwarz-Weiß-Foto aus seiner Jackentasche und legte es vor dem Marokkaner auf den Tisch.
»Was ist das?« Der Marokkaner beugte sich über das Foto. Marc sagte nichts. Er beobachtete das Gesicht seines Gegenübers gespannt. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis der Marokkaner wieder aufschaute. Seine Augen waren weit aufgerissen, er schien vollkommen verwirrt zu sein. Sein Zeigefinger hämmerte auf den Mann hinter Rudolf Hochhausen ein.
»Das ist er!«, sagte er mit heiserer Stimme. »Das ist einer der beiden Männer, die bei mir waren.«
Okay, dachte Marc, wir sind auf der richtigen Spur.
»Wer sind die anderen beiden?« Der Marokkaner deutete auf den Verteidigungsminister und seinen Berater. Da der Marokkaner mit den Namen nichts anzufangen wusste, erklärte ihm Marc kurz, wer die beiden waren, welche Funktion sie innehatten.
»Ich verstehe das alles nicht.« Der Marokkaner schüttelte den Kopf. Seine Stimme war sehr leise. Marc beugte sich zu ihm vor.
»Bitte erzählen Sie mir ganz genau, was die beiden Männer bei Ihnen gemacht haben«, sagte er, »was wollten sie von Ihnen?« Der Marokkaner erzählte, die beiden Männer hätten plötzlich vor ihm gestanden. Er habe im Bett gelegen und ferngesehen, als sie reinkamen.
»Wie sind sie ins Haus gekommen?«
»Ich weiß es nicht, mit einem Schlüssel wahrscheinlich. Ich hatte die Haustür jedenfalls abgeschlossen.«
Marc nickte. Auf dem Video hatte es auch so ausgesehen, als schließe der Schnauzbart die Tür mit einem Schlüssel auf.
»Haben Sie die Männer vorher schon einmal gesehen?«
»Nein.« Der Marokkaner schüttelte den Kopf.
»Es waren nicht die beiden, die Sie zusammengeschlagen haben?«
»Nein. Das waren andere.«
»Die Männer standen eine ganze Weile einfach nur schweigend da«, erzählte der Marokkaner weiter, »und sahen sich im Zimmer um. Ich hatte furchtbare Angst, habe mich nicht getraut, etwas zu sagen. Schließlich hat der eine, der Blonde, in die Innentasche seiner Jacke gegriffen. Er hat eine kleine Plastiktüte rausgeholt und hochgehalten. Ein weißes Pulver war darin.«
»Was für Pulver?«, fragte Marc.
»Irgendwelche Drogen, ganz klar. Der Blonde hat ausgeholt, wie beim Bowlen, und die Plastiktüte ist über den Fußboden gerutscht bis unters Bett.« Der Marokkaner machte eine Pause und starrte mit düsterer Miene sein Teeglas an.
»Und dann?« Marc war ungeduldig.
»Dann hat sich der mit dem Schnurrbart aufs Bett gesetzt … ans Fußende. Er hat mir gesagt, wenn ich mitspiele, kann er dafür sorgen, dass ich bald entlassen werde.«
»Was meinte er mit ›mitspielen‹?«
»Und falls ich nicht mitspiele«, fuhr der Marokkaner fort, »würden die Carabinieri eine große Menge Drogen bei mir finden, und ich komme hier nie mehr raus.« Der Marokkaner trank einen Schluck Tee. Keiner von beiden sagte etwas. Jetzt erst bemerkte Marc, dass der Wasserhahn tropfte. Er räusperte sich.
»Was meinte er mit ›mitspielen‹?«
Der Marokkaner zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, das hat er nicht gesagt.«
»Er hat sonst nichts weiter gesagt?«
»Doch. Er hat gesagt, wenn ich irgendjemandem von dem Gespräch erzähle, bringen sie mich um.« Der Marokkaner sah ihn an. In seinem Blick hielten sich Angst und Trotz die Waage, doch schließlich gewann die Angst die Überhand. Plötzlich wurde Marc klar, warum der Marokkaner so lange gezögert hatte, mit ihm zu sprechen. Er begriff, dass sich der Marokkaner ihm soeben ausgeliefert hatte. Wenn all das stimmte – und im Augenblick gab es keinen Grund, an der Aussage des Marokkaners zu zweifeln –, trug er jetzt die Verantwortung für das Leben dieses Mannes. Und ich kenne nicht einmal seinen Namen, dachte Marc. Aber er fragte ihn nicht danach.
Eine halbe Stunde später verließ er das Haus des Marokkaners. Er hatte gehofft, noch mehr Informationen über die beiden Männer zu bekommen, aber der Marokkaner hatte ihm nur immer wieder dasselbe erzählt. Schließlich hatte Marc aufgegeben. Er beschloss, noch eine Runde durchs Dorf zu gehen. Er musste nachdenken. Wenn es stimmte, was der Marokkaner ihm berichtet hatte, war er hier in eine völlig undurchsichtige Sache geraten, eine Sache, deren Dimension er noch nicht überschauen konnte, eine Sache, die ihm Angst machte. Seit seinem Besuch bei Hans Kersting in Berlin begleitete ihn diese Angst. Zwischendurch hatte er immer wieder das Bedürfnis gehabt, sich Augen und Ohren
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