Terror: Thriller (German Edition)
fast erreicht hatten, schien die Sonne so warm, dass sie auf dem steilen Weg gehörig ins Schwitzen kamen.
»Oben an der Kirche machen wir Picknick«, sagte Conny. Anna jubelte, sie hatte ein Ei entdeckt. Marc beobachtete, wie sie mit leuchtenden Augen zu Conny eilte und ihr den Fund entgegenstreckte.
Vier Wochen waren vergangen, seit er die Wanzen im Haus des Marokkaners angebracht hatte. Bereits einen Tag später war es zwischen Marc und dem Marokkaner fast zum Streit gekommen: Das sensible Aufnahmegerät sprang an, sobald der Marokkaner den Fernseher einschaltete. Der Fernsehton überdeckte jedes andere Geräusch. Marc versuchte vergeblich, den Marokkaner dazu zu bringen, den Ton wenigstens leise zu stellen, doch dem schien es wichtiger zu sein, in Ruhe fernsehen zu können, als diejenigen zu überführen, die sein Leben bedrohten. Marc konnte nur den Kopf schütteln über so viel kindische Sturheit. Er konnte den Marokkaner schließlich dazu überreden, die Carabinieri aus Pieve zu bitten, ihm bei ihrem nächsten Besuch einen Kopfhörer mitzubringen. Er selber hätte ihm keinen geben können, ohne das Risiko einzugehen, dass die Polizisten von dem Kontakt zwischen ihm und dem Marokkaner erführen. Die Carabinieri waren so freundlich, der Bitte des Marokkaners nachzukommen. Mit dem Kopfhörer war das Fernsehton-Problem gelöst.
Seither hatte das Aufnahmegerät die wöchentlichen Gespräche mit den Carabinieri aufgezeichnet, die seitens der Polizisten immer auf dieselbe freundlich-professionelle Weise geführt wurden. Der Mann mit dem Schnauzbart und sein Begleiter waren nicht wieder aufgetaucht, ebenso wenig wie irgendwelche mysteriösen Schläger mit Polizeifunkgeräten. Die Kamera, mit der Marc weiterhin die Straße vor dem Haus des Marokkaners überwachte, zeigte mehrmals täglich »Hund«, immer pinkelnd, jedes Mal an eine andere Hauswand, als wollte er sichergehen, dass keine zu kurz kam. Nosferatu, der aus seinem Haus trat, in den Himmel schaute, sich eine Zigarette anzündete. Das war’s. Mehr war in diesen vier Wochen nicht passiert.
Um kurz vor eins hatten sie die Kapelle Madonna della Neve erreicht. Sie befanden sich auf dem Rücken des schlafenden Hundes, auf etwa neunhundert Metern Höhe. Das Panorama war atemberaubend. Im Nordwesten hob sich, wie auf Glas gehaucht, die Silhouette der Seealpen vom weiten Himmel ab. Marc bereute, den Reiseführer nicht mitgenommen zu haben, er mochte Landkarten, er fand es gut, sich ins Verhältnis setzen zu können.
»Was ist denn das da im Meer?« Anna hatte die Augen zusammengekniffen und die Hand darübergelegt, damit die Sonne sie nicht blendete. Sie zeigte in Richtung Albenga. Marc folgte ihrem ausgestreckten Zeigefinger. Anna hatte recht. Weit draußen im Meer und nur zu erkennen, wenn man sich ganz darauf konzentrierte, schwamm ein Schatten.
»Weißt du, was das ist?« Marc war plötzlich aufgeregt.
»Nö … vielleicht ein Schiff?«
»Das ist Korsika!«
»Wo ist Korsika?«, schaltete sich Conny ein, die dabei war, den Rucksack auszupacken. Sie kam zu Marc und Anna. Alle starrten den Schatten auf dem Meer an. Marc wurde plötzlich feierlich zu Mute. Er legte Conny den rechten und Anna den linken Arm um die Schulter und sagte:
»Eines Tages wird all das euch gehören!«
»Quatschkopp!«, prustete Conny.
Nachdem sie eine Weile diskutiert hatten, ob sie lieber mit Blick aufs Meer oder auf die Berge speisen sollten, breiteten sie schließlich die Wolldecke aus und picknickten. Mit Blick auf Korsika.
Anna wollte wissen, ob es auf Korsika einen Osterhasen gebe und wenn ja, wie er da wohl hingekommen sei. Mit dem Schiff? Mit dem Flugzeug? Dürfen Osterhasen überhaupt fliegen? Und wenn ja – im Gepäckraum? Marc beobachtete seine Tochter. Ihre Augen blitzten, ein paar zarte Sommersprossen sprenkelten die leicht gebräunte Haut. Sie strotzte nur so vor Gesundheit. Es war richtig gewesen, hierzubleiben. Es war richtig gewesen, sich nicht von den unheimlichen Geschehnissen in Lenzari schrecken zu lassen. Irgendwann war der Frühling eingekehrt. In den Orten am Meer war sofort eine entspannte Urlaubsatmosphäre entstanden. Sie waren fast jeden Tag nach Laigueglia gefahren, hatten sich ins Café Molo gesetzt und in die Sonne geblinzelt, während Anna auf dem Spielplatz herumtobte. Sie hatten dem Fischer zugeschaut, der die Möwe Bippo spazieren führte, und seit klar war, dass der Nivea-Spot nicht vor Mai gedreht werden würde, hatte Marc sich ganz der
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