Terror: Thriller (German Edition)
… dass alles in Ordnung ist?«
»Das halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich«, sagte Klaus nüchtern, und Marc wusste, dass er recht hatte. Es lag nicht an ihnen, dass ihre Theorien verrückt klangen, es lag daran, dass die Sache selbst verrückt war, dass hier ganz offensichtlich Dinge vertuscht worden waren, dass die wahren Hintermänner des Oktoberfest-Attentats nicht ermittelt werden sollten. Bis heute nicht. Trotzdem, da war sich Marc sicher, würden ihnen Spekulationen nicht weiterhelfen. Das Oktoberfest-Attentat war Geschichte. Das war das eine. Das andere war die Tatsache, dass jetzt und hier, keine fünfzig Meter von ihm entfernt, ein völlig verängstigter Häftling saß, der geschlagen und bedroht worden war. Das war sehr konkret.
»Wir müssen dem Marokkaner helfen, Klaus. Darum geht’s.«
»Ich fürchte, es geht nicht mehr nur darum.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Marc wusste nicht, was er sagen sollte.
»Pass auf dich auf«, sagte Klaus, bevor er auflegte.
Gegen 15 Uhr machten sie sich an den Abstieg. Der Boden war durch die starken Regenfälle der letzten Tage aufgeweicht und glitschig. Das machte sich jetzt, beim Abstieg, erst so richtig bemerkbar. Als sie etwa drei Viertel der Strecke hinter sich gebracht hatten, verlor Anna plötzlich den Halt. Sie stolperte über eine Wurzel und fiel.
»Anna!« Conny schrie entsetzt auf. Marc war nicht schnell genug bei seiner Tochter, um verhindern zu können, dass sie vor seinen Augen den steilen Hang hinunterstürzte. Sie hatte sich instinktiv zusammengerollt, um ihren Kopf zu schützen. An dieser Stelle war der Hang voller Felsen, die überall durch den Waldboden brachen.
Marc war wie gelähmt. Conny neben ihm schrie wie am Spieß, aber sie konnten beide nichts anderes tun, als ihrer Tochter zuzusehen, die wie ein Gummiball in die Tiefe kullerte.
»Bitte, bitte, bitte!« Marc schickte ein Stoßgebet in den Himmel. Da unten stand eine Brombeerhecke. Mannshoch. Mit voller Wucht schoss Anna in die Hecke und blieb bewegungslos liegen.
»Anna!«
Sie reagierte nicht. Marc und Conny stürmten den Hang hinunter, so schnell es das starke Gefälle zuließ.
»Sie bewegt sich nicht!« Connys Stimme kippte über.
Bäume verstellten ihm den Blick. Er konnte seine Tochter nicht sehen.
»Marc! Sie bewegt sich nicht!«
Noch fünfzehn Meter. Sie lag auf dem Rücken. Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen, nur dass ihre Jacke zerfetzt war, das sah er.
Noch zehn Meter. Sie bewegte sich nicht.
» ANNA! «, schrie Marc. Jetzt war er bei ihr. Er ließ sich auf die Knie fallen, hörte Connys Schritte hinter sich, ihren keuchenden Atem. Er drehte Annas Kopf zu sich, sah in ihr Gesicht. Es war voller Blut. Ihre Augen waren geöffnet. Als sie Marc erblickte, lächelte sie.
Das Blut stammte von einem Kratzer an der Stirn, der sich aber als nicht schlimm herausstellte und schon kurz darauf aufhörte zu bluten. Ein paar Hautabschürfungen, an Ellbogen und Knien, ein paar Prellungen, das war’s. Anna hatte riesiges Glück gehabt. Conny hatte Marc noch was von »inneren Verletzungen« und »Krankenhaus« und »nachschauen lassen« ins Ohr gezischt, aber als Anna zehn Minuten später wieder fröhlich lachend den Berg hinunterstapfte, schien auch Conny beruhigt zu sein.
Sie hatten die Straße nach Gazzo fast erreicht, als sie den Mann sahen. Er saß auf einem Baumstumpf etwa zwei Meter oberhalb des Weges und schien sie noch nicht bemerkt zu haben. Er trug ein rotes Ferrari-Basecap auf dem Kopf und ein kariertes Hemd unter einem labbrigen Wollpulli, der überall Löcher hatte. Und er redete unablässig vor sich hin. Er hatte etwas in der linken Hand, das Marc nicht erkennen konnte. Seine rechte Hand vollführte kurze, ruckartige Bewegungen, als würde sie von Krämpfen geschüttelt. Erst als er direkt vor ihm stand, sah Marc, dass der Mann an einem Stück Holz herumschnitzte. Er schnitzte eine Schlange. Marc musste nur einen kurzen Blick auf das Tier werfen, um zu wissen, dass dieser Mann all die Kreaturen hergestellt hatte, die er und Anna in dem verfallenen Haus im Wald gesehen hatten.
»Der Mann hat deinen Hund geschnitzt«, flüsterte er Anna zu. Sie sah den Mann erstaunt an, aber als sie die hölzerne Schlange in seiner Hand erblickte, verstand sie.
»Kennt ihr den Mann?« Conny wirkte irritiert.
Plötzlich hielt der Mann inne und sah auf. Er schielte. Als Marc den Mann grüßte, ging ein Lächeln über sein Gesicht. Es war dieses Lächeln, das Marc
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