Terror: Thriller (German Edition)
dich.« Er wies auf die Sitzgelegenheiten. Marc setzte sich auf einen der Stühle. Der Mann blieb stehen und trank einen Schluck Bier. Über dem Tisch hingen drei Geweihe an der Wand, Rotwild, vermutete Marc. Zwei Bücher lagen auf dem Tisch. Marc konnte die Titel erkennen: War Dogs , hieß das eine. Das sagt ihm nichts. Das andere war Pinocchio .
»Was kannst du mir über den Schnauzbart sagen?«, fragte der Mann unvermittelt und sah Marc durch die Augenschlitze in der Sturmhaube an. Marc musste vorsichtig sein. Er hatte keine Ahnung, wen er vor sich hatte.
»Wen meinen Sie?«
»Du weißt genau, wen ich meine.« Seine Stimme klang aggressiv.
»Hören Sie«, sagte Marc, »falls Sie derjenige sind, der mich gestern angerufen hat …« Er hielt inne und sah den Mann prüfend an.
»Ja. Ich habe Sie angerufen.« Er klang ungeduldig.
»Sie haben mir am Telefon gesagt«, fuhr Marc fort, »dass Sie Informationen über diesen Mann haben, den Sie ›Schnauzbart‹ nennen.«
»Ja. Hab ich.«
»Ich bin hierhergekommen, um mich mit Ihnen zu treffen. Sie zeigen mir ihr Gesicht nicht, und Sie heißen mit Sicherheit nicht Gianni Bertone …«
Der Mann schüttelte nur den Kopf.
»Also möchte ich jetzt von Ihnen erst mal ein paar Dinge wissen.«
»Bitte. Frag.«
»Wer sind Sie?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Sie werden sicher verstehen, dass ich wissen muss, mit wem ich es zu tun habe, sonst kann ich Ihnen auch nichts sagen.«
Der Mann schien einen Moment nachzudenken, dann setzte er sich Marc gegenüber in den Sessel und stellte die Bierflasche auf den Tisch.
»Sagt dir der Name Fabrizio Quattrocchi etwas?«, fragte er dann.
Marc war sicher, den Namen schon mal gehört zu haben, konnte ihn aber augenblicklich nicht einordnen.
»Nein«, sagte er deshalb. »Wer ist das?«
»Fabrizio Quattrocchi ist ein Held, zumindest in Italien. Kurz bevor sie ihn hingerichtet haben, hat er seinen Mördern zugerufen: ›Ich zeige euch, wie ein Italiener stirbt‹, und er wollte sich die Kapuze abstreifen, die sie ihm über den Kopf gezogen hatten, weil er dem Tod ins Gesicht sehen wollte. Aber sie haben es ihm nicht erlaubt. Bastardi!«
Jetzt dämmerte es Marc. Eine Geiselnahme im Irak. Das Video mit der Hinrichtung Quattrocchis war damals um die Welt gegangen.
»Ich glaube, ich erinnere mich«, sagte er, »wann war das?«
»Das war 2004. Am 14. April 2004 haben sie ihn in der Nähe von Falludscha umgebracht. Genickschuss. Dreitausend Kilometer von zu Hause.« Der Mann saß einen Moment lang im Sessel und starrte vor sich hin. Marc beobachtete ihn. Sein rechtes Bein war unaufhörlich in Bewegung. Der Mann schien es nicht zu bemerken. Er hatte braune Augen und große, kräftige Hände mit kurzen Fingernägeln, die aussahen, als knabbere er an ihnen herum. »Fabrizio war mein Freund. Wir haben in Genua im gleichen Viertel gewohnt, in San Martino, haben gemeinsam Kampfsport gemacht, und als ich 2003 in den Irak bin, war klar, dass er nachkommen würde.«
»Was haben Sie im Irak gemacht?«
»Ich habe für eine amerikanische Sicherheitsfirma gearbeitet.«
»Als Söldner?«
»Als Private Contractor. Oder Söldner. Wie du willst. Mir ist das inzwischen scheißegal. Mein Job war, die einen zu schützen und die anderen umzubringen.« Er machte eine Pause, starrte seine Finger an.
»Und Fabrizio Quattrocchi?«, fragte Marc.
»Ich bin schuld, dass er in den Irak ist.« Plötzlich zitterte seine Stimme. »Fabrizio war kein Söldner … er war ein guter Kampfsportler, aber er war kein Soldat. Ich habe ihm erzählt, wie viel Geld man dort verdienen kann, und er brauchte Geld. Er wollte seine Freundin heiraten …«
Der Mann verlor sich in Anekdoten. Er erzählte von der Bäckerei, dem Familienbetrieb in San Martino, in dem Fabrizio arbeitete, von Fabrizios Familie, von seiner Freundin, und Marc sah, dass er Tränen in den Augen hatte.
Was für eine absurde Situation! Marc hatte das Gefühl, er müsste hinübergehen und den Söldner mit der Sturmhaube tröstend in den Arm nehmen.
Durch vorsichtiges Nachfragen gelang es Marc, den Fokus wieder auf die Geschehnisse im Irak zu richten. Er erfuhr, dass Quattrochi im November 2003 in den Irak kam, aber für eine andere, eine italienische Sicherheitsfirma arbeitete, und dass er sehr wahrscheinlich eher als Personenschützer eingesetzt wurde und weniger in direkte Kampfhandlungen involviert war, aber genau konnte der Mann das nicht sagen. Er hatte seinen Freund Quattrocchi nur
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