Terror: Thriller (German Edition)
musst du irgendwas sagen wie: Oh Gott! Was ist denn passiert? Aber Klaus fragte: »Und wo sind Sie jetzt?«
Falsche Reaktion, dachte Carla und spürte die aufsteigende Angst. Das konnte nur bedeuten, dass Klaus bereits wusste, dass etwas passiert war, sonst hätte er nachfragen müssen. Warum hat er nicht gefragt, wer von der Familie seines Freundes im Krankenhaus lag? Wie eine Schnecke, deren Fühler man berührt hatte, zog Carla sich in ihr Haus zurück. Plötzlich meinte sie, andere Stimmen im Hintergrund zu vernehmen. War Klaus nicht allein? Ihr Unbehagen wuchs. Irgendwas stimmte da nicht.
»Wissen Sie, wo Marc Burth ist?« Klaus’ Stimme klang unsicher und überhaupt – was waren das für Fragen? Du musst mich nach dem Krankenhaus fragen, dachte sie. Du musst fragen, ob jemand verletzt ist, wer verletzt ist. Du hättest von Anfang an ganz anders fragen müssen …
»Ich weiß leider gar nichts«, sagte sie. »Ich versuche mir hier selbst gerade ein Bild zu machen.«
Wieder die Stimmen. Leise, aber eindeutig.
»Sind Sie nicht allein?«, fragte sie geradeheraus.
»Nein«, sagte Klaus, »die Polizei ist hier.« Seine Stimme klang mechanisch. »Marc wird … gesucht.« Er stockte. »Er soll jemanden umgebracht haben.«
Lenzari, Mittwoch, 7. April 2010, 21:20 Uhr
Marc hatte Conny in groben Zügen von seinem Treffen in Mendatica berichtet, aber erst als Anna eingeschlafen war, kamen sie dazu, sich in Ruhe zu unterhalten. Als Conny nach unten in die Küche kam, hatte Marc eine Kerze angezündet, eine Flasche Barbera geöffnet und zwei Gläser gefüllt.
»Was gibt’s zu feiern?«, fragte Conny. Aber Marc war nicht nach Feiern zumute. Er bat sie, ihm zuzuhören. Er hatte sich eine Liste gemacht, auf der er chronologisch jedes Detail eingetragen hatte, das in irgendeinem Zusammenhang mit dem Marokkaner stand.
»Ich bin völlig verloren in dieser Geschichte«, sagte Marc, »ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll. Ich würde gerne alles noch mal mit dir durchsprechen.«
»Kannst du haben«, sagte Conny.
Sie gingen jedes Detail zusammen durch, angefangen an dem Abend, als sie die Schreie aus dem Babyfon gehört hatten, und versuchten die Fakten von den Spekulationen zu trennen.
Fakt war, dass der Mann mit dem Schnauzbart beim Marokkaner gewesen war, und zwar am 9. Februar von 17:25 bis 17:37 Uhr, dokumentiert durch Marcs Kamera. Was im Haus des Marokkaners besprochen worden war, wusste Marc nur aus Berichten des Marokkaners. Der Schnauzbart hatte den Marokkaner aufgefordert zu kooperieren, ohne dass klar war, worin diese Kooperation bestehen sollte. Und er hatte gedroht, den Marokkaner umzubringen, falls der irgendjemandem von ihrem Gespräch erzählte. Das musste natürlich nicht stimmen. Sie ließen es erst mal beiseite. Sie wollten nur die Fakten sammeln. Fakt war auch der A6. Der Wagen mit dem deutschen Kennzeichen FDS -S 3888 war zugelassen auf die Sicherheitsfirma Telos Security Services, mit Firmensitz in Freudenstadt im Schwarzwald.
Es gab ein Foto, aufgenommen vermutlich Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre, das den Schnauzbart zusammen mit Verteidigungsminister Hochhausen und seinem Berater Wolfgang Stein zeigte. Aus diesem Foto allein ließen sich erst einmal keine weiteren Schlüsse ziehen.
Dann gab es die Aussage einer Zeugin, der Exfrau des Journalisten Kersting nämlich, sie habe den Schnauzbart kurz vor der Explosion der Oktoberfest-Bombe in der Nähe des Tatorts gesehen. Der schwarze Fiat 128, in dem der Mann laut dieser Aussage gesessen hatte, war Stasi-Unterlagen zufolge aktenkundig. Die Insassen waren polizeilich überprüft und danach freigelassen worden.
»Das ist dreißig Jahre her«, schaltete sich Conny ein, »ist es überhaupt möglich, jemanden nach so langer Zeit wiederzuerkennen, von dem man nur dieses eine Foto hat?«
»Sie behauptet es. Ich denke, was die Aussage von Kerstings Exfrau angeht, gibt es drei Möglichkeiten: Erstens, sie hat sich getäuscht und den Mann nach fast dreißig Jahren einfach verwechselt, was sehr gut möglich ist.«
»Dann kann man die ganze Oktoberfest-Nummer vergessen.«
»Ja.«
»Wär’ mir recht, ehrlich gesagt.«
»Mir auch.«
»Und zweitens?«
»Die Frau hat sich richtig erinnert. Dann kann die Anwesenheit des Mannes in der Nähe des Oktoberfests immer noch ein Zufall sein, und der Mann hat nichts mit dem Attentat zu tun. Diese Variante wird gestützt durch die Polizeiakten. Der Mann ist von den Ermittlern
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