Terror: Thriller (German Edition)
sich zurück und starrte sein Cornetto an. »Aus bisher ungeklärter Ursache«. Mehr stand da nicht. Also ein Unfall. Sollte er sich doch getäuscht haben? Er nahm das Secolo XIX zur Hand. Die Meldung stand auf der dritten Seite. Sie hatte exakt den gleichen Wortlaut wie die in der Repubblica. Auf der Straße vor dem Café hielt ein weißer Lieferwagen. Der Fahrer sprang heraus und öffnete die Seitentür. Marc sah, dass der Wagen Obst und Gemüse geladen hatte. Wahrscheinlich für den Lebensmittelladen nebenan. Marc wandte sich wieder seinem Cornetto zu. Als er es zur Hälfte aufgegessen hatte, wusste er, was er tun würde.
Die Carabinieri-Station lag ein wenig zurückgesetzt auf der linken Seite der Hauptstraße. Das schmiedeeiserne Tor quietschte leise, als er es öffnete. Nach zwei Metern machte der asphaltierte Weg einen scharfen Knick nach rechts und führte durch einen gepflegten Garten zum Eingang des eingeschossigen Gebäudes. Zwei Palmen, einen Oleanderstrauch und wild wuchernde Bougainvillea vermochte Marc zu identifizieren. Die anderen Sträucher und Blumen waren ihm unbekannt. Die Eingangstür war geschlossen. Er rüttelte daran, nichts zu machen. Da sah er die moderne Klingelanlage im Mauerwerk links des Türrahmens. Er schaute nach oben und entdeckte die Kamera. Der gesamte Eingangsbereich war videoüberwacht. Er drückte auf die Klingel, und kurz darauf surrte der Türöffner. Im Inneren des Gebäudes war alles funktional und hatte den Charme einer gewöhnlichen Amtsstube. Nichts war mehr übrig von dem schmucken Eindruck, den das Gebäude von außen gemacht hatte. Marc trat in einen Vorraum, an dessen Wänden Plastikstühle standen. Der Steinboden war uneben und ausgetreten. Die Regale waren vollgepackt mit Informationsmaterial. An den Wänden, die dringend einen neuen Anstrich vertragen hätten, hingen Steckbriefe gesuchter Verbrecher. Auf jeder Seite des Raumes gingen zwei Türen ab. Die erste auf der rechten Seite öffnete sich, und der ältere der beiden Carabinieri, die Marc von seinen Kameraaufzeichnungen in Lenzari kannte, betrat den Raum. Marc konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, den Carabiniere zu begrüßen wie einen alten Bekannten. Der Mann hatte die Uniformjacke ausgezogen und die Ärmel des blauen Hemdes hochgekrempelt.
»Was wünschen Sie?«, fragte er.
Irgendetwas irritierte Marc an dem Mann. Er musterte ihn möglichst unauffällig, bis er herausgefunden hatte, was es war: Es waren seine Augen. Sie waren feucht und leicht gerötet. Es schien, als habe der Mann geweint.
»Bitte, was kann ich für Sie tun?« Seine Stimme klang jetzt gereizt.
Marc zeigte ihm die Unfallnachricht in der Zeitung und gab den unbedarften Touristen: Gerade habe er diese Meldung entdeckt und könne sich nun überhaupt nicht mehr beruhigen. Gestern habe er mit seiner Familie einen weißen Opel Corsa überholt, genau auf dem Streckenabschnitt hinter Imperia, wo der Unfall passiert war. Der Fahrer des Corsas war ihnen aufgefallen, weil er wild gestikulierend in sein Handy gesprochen hatte. Und nun lasse ihn der Gedanke nicht los, ob sie möglicherweise das Unfallopfer in den letzten Minuten seines Lebens beobachtet hatten. Das sei ein grauenhafter Gedanke, und er würde so gerne Gewissheit haben.
»Können Sie mir da vielleicht weiterhelfen?«
»Wie stellen Sie sich das vor?«, fragte der Carabiniere. »Wir haben den Unfall nicht untersucht. Das waren die Kollegen in Imperia.«
Marc meinte beobachtet zu haben, dass der Carabiniere sich während seiner Erzählung nach und nach entspannt hatte. Offenbar schien er der Meinung zu sein, einen harmlosen Spinner vor sich zu haben, der schlimmstenfalls ein wenig Arbeit machen würde.
»Könnten Sie vielleicht …«, fragte Marc, »könnten Sie vielleicht mal bei Ihren Kollegen in Imperia anfragen, ob der Wagen des Unfallopfers ein weißer Opel Corsa war? Und ob man das Handy des Mannes gefunden hat …«
Die Augen des Carabiniere verengten sich zu schmalen Schlitzen.
»Und ob der Mann identifiziert worden ist?«
Gleich wirft er mich raus, dachte Marc. Aber der Carabiniere zuckte nur mit den Achseln und seufzte. Es klang resigniert. Er wandte sich um und winkte Marc, dass er ihm folgen solle.
»Ich kann Ihnen natürlich keine persönlichen Angaben zu dem Unfallopfer machen«, sagte er, während sie sein Büro betraten und er sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen ließ.
»Aber wegen des Corsas und des Handys kann ich nachfragen. Falls
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