Terror: Thriller (German Edition)
Füßen weggezogen wurde, wie sie es formuliert hatte, war sie für niemanden mehr eine Hilfe. Für Marc nicht und auch für Anna nicht, und das durfte nicht sein. Sie hatte völlig recht. Er hatte Conny schon viel zu sehr in die ganze Geschichte hineingezogen. Er durfte ihr keine Vorwürfe machen, dass sie sich weigerte, ihm noch weiter zu folgen. Im Gegenteil, er musste ihr dankbar dafür sein, dass sie sich bemühte, eine gewisse Normalität zu bewahren.
Er versuchte wieder analytisch an die Sache heranzugehen. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder, er hatte sich getäuscht und es hatte den Schuss nicht gegeben … was dann? Dann war er am Telefon Zeuge eines Autounfalls geworden? Marc verwarf den Gedanken sofort wieder. Nein, Bertone, oder wie immer der Mann wirklich hieß, hatte gehetzt geklungen. Marc war sich sicher, dass der Mann wusste, dass er verfolgt wurde. Auch die Aufforderung, weiter an dem Schnauzbart dranzubleiben, deutete ganz darauf hin, dass er geahnt hatte, was passieren würde. So grauenhaft es klang: Der Mann hatte während des Telefonates gewusst, dass man ihn umbringen würde. Anders war sein Verhalten nicht zu erklären.
Was bedeutete das für sie hier in Lenzari? Waren sie in Gefahr? Mussten sie Angst haben? Keine Ahnung, er wusste ja noch immer nicht, worum es eigentlich ging. Wenn sie jetzt voller Panik ihre Sachen packten und nach Berlin fuhren – änderte sich dann etwas? Waren sie in Berlin sicherer als hier? Sicher vor wem eigentlich?
»Und Wale?«
»Sind auch Säugetiere.«
»Und Quallen?«, fragte Marc und suchte Connys Blick. Sie sah ihn an – und lächelte.
Nach dem Essen ging er nach oben ins Arbeitszimmer und schaltete den Computer ein. Er checkte im Moment mindestens einmal täglich seine E-Mails. So kurz vor Drehbeginn kamen immer noch Anmerkungen und Ergänzungen von allen Seiten. Aber die mussten noch warten. Was sollten sie tun? Was war nach dieser neuen Wendung am Vernünftigsten? Sollten sie Connys Eltern absagen, morgen mit Sack und Pack ins Auto steigen und nach Berlin zurückfahren? Oder wäre das blinder Aktionismus?
Er stand auf und trat ans Fenster, und da kam ihm ein Gedanke, der gleichzeitig beunruhigend und erleichternd war: Vielleicht war er tatsächlich kurz davor, etwas herauszufinden. Vielleicht war er gerade dabei, ohne selbst zu wissen warum, zur Gefahr für bestimmte Leute zu werden. Mit Sicherheit spielte diese Telefonnummer dabei eine Rolle. Er war im Besitz dieser Telefonnummer. Wenn hier tatsächlich jemand gefährdet sein sollte, dann war er das. Also war es nur gut, wenn Conny und Anna nicht mit nach Berlin kamen. Sie waren am sichersten, wenn sie sich nicht in seiner Nähe aufhielten. Die Entscheidung war richtig, alles so zu machen wie geplant. Und natürlich musste er Conny von jetzt an da raushalten. Das war eine absolute Notwendigkeit. Er durfte sie nicht noch mehr in Gefahr bringen.
Eine getigerte Katze, die Marc noch nie zuvor gesehen hatte, balancierte über die Gartenmauer.
Er wandte sich um, fischte den Zettel mit der Telefonnummer aus seiner Hosentasche und entfaltete ihn auf dem Tisch. Es war eine Berliner Telefonnummer. Marc hatte schon beim Notieren gestutzt, aber bis jetzt war er nicht dazu gekommen, sich darüber Gedanken zu machen. Er starrte die Zahlen an, die er in der Eile aufs Papier gekritzelt hatte. Bertone hatte ihm auch die Vorwahl nach Deutschland mitdiktiert. Warum eine Berliner Nummer? Was sollte das?
Als er nach dem Telefonhörer griff, spürte er, wie sein Herz schneller schlug. Er presste den Hörer ans Ohr und tippte die Nummer ein. Es klingelte einmal, zweimal – dann wurde abgehoben.
»Ristorante Il Pellegrino. Was kann ich für sie tun?«, fragte eine aufgeräumte weibliche Stimme. Marc stammelte irgendwas von wegen verwählt und legte auf.
Als er sich wieder etwas gefasst hatte, gab er »ristorante il pellegrino berlin« bei Google ein und wurde sofort fündig. Das Restaurant war in Charlottenburg. Bleibtreustraße. Gute Lage. Sah gediegen aus, gehobene Preisklasse, gut gemachte, unaufdringliche Website. Ein italienisches Restaurant in Berlin? Vielleicht hatte er die falsche Nummer notiert oder Bertone hatte sie ihm in der Aufregung falsch genannt.
Es klopfte an der Tür, gleich darauf stürmte Anna herein, um ihm gute Nacht zu sagen. Er nahm seine Tochter in die Arme und drückte sie. Im Türrahmen erschien Conny und sah den beiden lächelnd zu.
»Gute Nacht, mein Sägefisch.«
»Gute Nacht …
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