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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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er alle Auseinandersetzungen hasst. Oft heißt es von ihm sogar, dass er nicht mal einer Fliege was zuleide tun kann …«
    »Ja«, erwiderte Crozier, »ich habe selbst einmal erlebt, wie er eine Fliege gefangen und nach draußen gebracht hat, um sie freizulassen.«
    »Schließlich hat Onkel John auf Tante Janes Rat hin den Arzt wiedereingesetzt, sich aber dadurch in Montagu einen Todfeind geschaffen. Das Gezänk und die Vorwürfe wurden immer unverhohlener, und Montagu hat Onkel John praktisch als Lügner und Schwächling beschimpft.«
    »Gütiger Himmel!« In Wirklichkeit dachte Crozier etwas anderes: An John Franklins Stelle hätte ich diesen Halunken Montagu zum Duell gefordert. Ich hätte ihm zuerst die Nüsse weggeschossen und ihm dann eine Kugel in den Kopf gejagt. »Hoffentlich hat Sir John den Mann seines Amtes enthoben.«
    »Ja natürlich, das hat er getan.« Sophia lachte gequält. »Aber dadurch wurde alles nur noch schlimmer. Letztes Jahr ist Montagu nach England gesegelt, mit demselben Schiff, das sein Entlassungsschreiben befördert hat. Und leider hat sich dann herausgestellt, dass Montagu ein enger Freund von Lord Stanley ist, dem Kolonialminister.«
    Dann hat der Gouverneur wirklich ausgespielt , dachte Crozier, als sie die Steinbank am hinteren Ende des Gartens erreichten. »Wie unerfreulich.«
    »Ja, und zwar weit mehr noch, als Onkel John und Tante Jane
sich das vorstellen konnten. Der Cornwall Chronicle hat einen Artikel gebracht mit dem Titel: ›Die einfältige Amtsführung des Polarhelden‹. Und die Colonial Times gibt Tante Jane die Schuld.«
    »Weshalb der Angriff auf Lady Jane?«
    »Tante Jane ist … unorthodox, so ähnlich wie ich. Sie haben Ihr Zimmer im Government House gesehen, nicht wahr? Vor zwei Jahren hat Onkel John doch mit Ihnen und Kapitän Ross einen Rundgang durch das Anwesen gemacht.«
    »Ja, ich weiß noch«, antwortete Crozier. »Sie hatte eine wunderbare Sammlung.« Lady Janes Boudoir – zumindest die Teile, die sie zu Gesicht bekommen hatten – war vom Boden bis zur Decke vollgestellt mit Tierskeletten, Meteoriten, Steinfossilien, Kriegskeulen von australischen Aborigines, Eingeborenentrommeln, geschnitzten Kriegsmasken, zehn Fuß langen Paddeln, mit denen man die Terror auf fünfzehn Knoten hätte beschleunigen können, einer Fülle ausgestopfter Vögel und mindestens einem kunstvoll präparierten Affen. Dergleichen hatte Crozier noch nicht einmal in einem Museum oder einem Zoo gesehen, geschweige denn im Schlafzimmer einer Dame. Allerdings hatte Francis Crozier auch noch nicht viele Schlafzimmer von Damen betreten.
    »Ein Besucher hat an eine Zeitung von Hobart Town geschrieben  – ich zitiere wörtlich: ›Die Privatgemächer der Gemahlin unseres Gouverneurs im Government House gleichen mehr einem Museum oder einer Menagerie als dem Boudoir einer Dame.‹«
    Crozier schnalzte missbilligend mit der Zunge und hatte Gewissensbisse wegen seiner Gedanken. »Und macht dieser Montagu jetzt immer noch Schwierigkeiten?«
    »Mehr denn je. Lord Stanley – diese Viper unter den Nattern  – hat Montagu den Rücken gestärkt und ihn wieder in ein ganz ähnliches Amt eingesetzt wie das, aus dem ihn Onkel John entlassen hatte. Außerdem hat er Onkel John einen schrecklichen
Verweis gesandt, der, wie mir Tante Jane unter vier Augen anvertraut hat, eigentlich schon einer öffentlichen Auspeitschung gleichkam.«
    Zuerst würde ich also diesem Hurensohn Montagu die Eier wegschießen, dann würde ich Lord Stanley die seinen abschneiden und sie ihm leicht angewärmt servieren , überlegte Crozier. »Das ist ja furchtbar.«
    »Es kommt noch schlimmer.«
    Obwohl es schon stark dämmerte, konnte Crozier erkennen, dass sie keine Tränen im Gesicht hatte. Sophia war keine Frau, die zum Weinen neigte.
    »Stanley hat den Tadel an die Öffentlichkeit gebracht?«, riet Crozier.
    »Der … Schweinehund … hat Montagu eine Abschrift des offiziellen Verweises ausgehändigt, bevor er ihn an Onkel John gesandt hat, und dieser hinterhältige Schuft hat das Schreiben mit dem schnellsten Postschiff hierhergeschickt. Lange bevor Onkel John den Brief von offizieller Seite erhielt, wurden schon Kopien angefertigt und an all seine Feinde hier in Hobart Town verteilt. Immer wenn Onkel John mit Tante Jane ein Konzert besuchte oder in seiner Funktion als Gouverneur auftrat, hat die ganze Kolonie hinter vorgehaltener Hand gekichert. Ich muss mich für meine undamenhafte Wortwahl entschuldigen,

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