Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
konnte rasch eingeschürt werden. Allerdings musste dafür auch erst die nötige Kohle durch die fünfundzwanzig Meilen lange Hölle aus Pressrücken und Seeeis geschleppt werden; auf King-William-Land und auch sonst im Umkreis von Hunderten von Meilen gab es kein Holz. Ja, es war beschlossen: Als Nächstes kamen die Herde dran, und Crozier selbst übernahm das Kommando des Trupps. Durch absolute Finsternis und unvorstellbare Kälte, auch wenn ihnen der Teufel persönlich im Nacken saß.
    Am nächsten Aprilmorgen des Jahres 1843 machten Crozier und Sophia Cracroft einen Ausritt zum Schnabeltierweiher.
    Crozier hatte eigentlich erwartet, sie würden mit dem Einspänner fahren, so wie sie es bei Ausflügen nach Hobart Town taten, aber Sophia ließ zwei Pferde satteln und ein Maultier mit Picknicksachen beladen. Sie ritt wie ein Mann. Crozier sah, dass der dunkle Rock – oder was er zuerst dafür gehalten hatte – in Wirklichkeit eine Gauchohose war. Die weiße Drillichbluse, die sie dazu trug, wirkte irgendwie zugleich feminin und markig. Um sich vor der Sonne zu schützen, hatte sie einen breitkrempigen Hut aufgesetzt. Ihre hohen Reitstiefel waren weich und poliert und hatten wahrscheinlich so viel gekostet, wie Commander Crozier in einem Jahr verdiente.
    Sie ritten nach Norden aus der Hauptstadt hinaus und folgten einem schmalen Pfad durch Plantagenfelder, vorbei an Strafkoloniehütten, bis sie nach einem kurzen Stück Regenwald auf höher gelegenes, offenes Land gelangten.
    »Ich dachte immer, Schnabeltiere gibt es nur in Australien.« Crozier hatte Schwierigkeiten, eine bequeme Position im Sattel zu finden. Er hatte in seinem Leben nicht viele Gelegenheiten und Gründe zum Reiten gehabt. Es war ihm peinlich, wie seine Stimme vom Rütteln und Schütteln bebte. Sophia dagegen schien ganz entspannt im Sattel zu sitzen; ihr Pferd und sie bewegten sich, als wären sie miteinander verwachsen.

    »O nein, mein Lieber«, antwortete sie. »Diese seltsamen kleinen Geschöpfe kommen auf dem großen Kontinent im Norden nur in bestimmten Küstengegenden vor, aber auf Van Diemen’s Land gibt es sie überall. Allerdings sind sie sehr scheu. In der Umgebung von Hobart Town sehen wir überhaupt keine mehr.«
    Bei den Worten »mein Lieber« wurden Croziers Wangen warm. »Sind sie gefährlich?«
    Sophia lachte freundlich. »Die Männchen können tatsächlich gefährlich werden. Sie haben Sporne an den Hinterbeinen, die in der Paarungszeit mit Gift gefüllt sind.«
    »Kann ein Mensch an dem Gift sterben?« Crozier hatte die merkwürdigen Tierchen bisher nur auf Abbildungen gesehen, und seine Frage nach ihrer Gefährlichkeit war eigentlich als Scherz gedacht gewesen.
    »Ein kleiner Mensch vielleicht. Allerdings sagen diejenigen, die mit dem Sporn des Schnabeltiers Bekanntschaft gemacht haben, der Tod wäre ihnen lieber gewesen.«
    Croziers Blick wandte sich nach rechts der jungen Frau zu. Manchmal war für ihn nur schwer zu erkennen, wann Sophia ihn neckte und wann sie es ernst meinte. In diesem Fall vermutete er, dass sie die Wahrheit sagte. »Ist denn gerade Paarungszeit?«
    Wieder lächelte sie. »Nein, mein lieber Francis. Paarungszeit ist von August bis Oktober. Uns kann also nichts passieren. Außer wir treffen auf einen Teufel.«
    »Den Teufel?«
    »Nein, mein Lieber. Einen Teufel. Sie haben doch bestimmt schon von den tasmanischen Teufeln gehört.«
    »Ja, von denen wurde mir erzählt«, erwiderte Crozier. »Angeblich furchtbare Geschöpfe, die ihre Kiefer so weit aufreißen wie die Luke vor einer Schiffslast. Und sie sollen sehr wild sein – unersättliche Raubtiere, die ein Pferd oder einen tasmanischen Tiger auf einmal verschlingen können.«

    Sophia nickte mit ernster Miene. »Alles wahr. Der Teufel besteht nur aus Pelz und Maul, Gier und Wut. Und wenn Sie schon einmal seine typischen Laute gehört hätten – man kann es eigentlich nicht als Bellen, Knurren oder Brüllen bezeichnen, es ist mehr wie das wirre Schnattern und Kreischen in einem brennenden Irrenhaus –, dann, das schwöre ich Ihnen, würde sich nicht einmal ein mutiger Seefahrer wie Sie, Francis Crozier, hier auf der Insel nachts allein in die Felder und Wälder wagen.«
    »Haben Sie das schon einmal selbst gehört?« Wieder sah ihr Crozier prüfend ins Gesicht, um zu erkennen, ob sie ihn auf den Arm nahm.
    »O ja. Ein unbeschreibliches Geräusch – absolut furchterregend. Damit sorgt der Teufel dafür, dass sein Opfer so lange erstarrt, bis er

Weitere Kostenlose Bücher