Terror
Leys in Acht nehmen musste. Wenn er neben die gefrorene Persenningpyramide trat und die beiden genau in diesem Augenblick von der anderen Seite kamen, um nachzusehen, konnte es sein, dass sie vor lauter Angst auf alles schossen, was sich bewegte.
Trotzdem ging er weiter.
Mittlerweile hatte er sich dem Backbordposten bis auf zwanzig Fuß genähert. »Berry?«
Im Schneetreiben nahm er eine undeutliche Bewegung wahr – ein riesiger Schemen, der unmöglich Berry sein konnte. Dann hörte er ein Poltern, viel lauter als jeder Flintenschuss. Erneut krachte es. Blanky taumelte zehn Schritte achteraus zurück, als Tonnen, Holzfässer und Kisten über das Deck schepperten. Erst nach einigen Sekunden hatte er begriffen, was geschehen war. Die Pyramide aus gefrorenem Segeltuch, die sich mittschiffs über das Deck erstreckte, war plötzlich in sich zusammengebrochen. Dabei waren Tausende Pfund Schnee und Eis, die sich auf der
Persenning gesammelt hatten, in alle Richtungen geflogen, die unter der Plane aufbewahrten Schiffsvorräte – überwiegend entzündbares Pech, Kalfatererszeug und Sand zum Bestreuen der Schneeschicht auf dem Deck – waren auseinandergespritzt, und die unteren Spieren des Großmastes, die vor über einem Jahr längs zur Schiffsachse gebrasst worden waren, um als Firstbalken für die Plane zu dienen, waren auf die Hauptluke und den Niedergang herabgestürzt.
Blanky und die anderen drei Männer an Deck hatten nun keine Möglichkeit mehr, unter Deck zu gelangen, und die Männer von unten konnten nicht nach oben, um die Ursache des Gepolters herauszufinden, da das ganze Gewicht der Spieren, der Persenning und des Schnees auf der Luke lag. Der Eislotse wusste natürlich, dass die Seeleute unter Deck bald zur vorderen Luke eilen würden, um die festgenagelte Winterverschalkung zu entfernen. Aber bis das geschehen war, dauerte es sicher einige Zeit.
Ob wir noch leben, wenn sie hochkommen? , schoss es Blanky durch den Kopf.
Sich vorsichtig über den mit Sand bestreuten festgetretenen Schnee tastend, bahnte sich Blanky einen Weg vorbei an dem Trümmerhaufen am hinteren Ende des eingestürzten Zelts und näherte sich dem schmalen Durchgang, der steuerbord noch zwischen dem verstreuten Gerümpel und dem Schanzkleid geblieben war.
Vor ihm ragte eine Gestalt auf.
Die Laterne in der linken Hand, hob Blanky die Flinte, den Finger schussbereit am Hahn. »Handford!« Erleichtert erkannte er den bleichen Umriss eines Gesichts zwischen der schwarzen Masse aus Überrock und Schal. Die Welsh Wig des Mannes saß ganz schief auf seinem Kopf. »Wo ist deine Laterne?«
»Hab ich fallen lassen«, antwortete der Matrose. Der Mann schlotterte heftig, seine Hände waren nackt. Er drängte sich so dicht an Thomas Blanky heran, als wollte er sich an dem Eislotsen
wärmen. »Ich hab sie fallen lassen, wie das Ding die Spiere runtergehauen hat. Die Flamme ist im Schnee ausgegangen.«
»Was soll das heißen, das Ding hat die Spiere runtergehauen?«, rief Blanky. »Kein Lebewesen kann einfach die Mastspiere runterschlagen.«
»Doch!« Handford deutete mit zitternder Hand. »Ich habe Berrys Schuss gehört. Dann hat er irgendwas gerufen. Plötzlich ging seine Lampe aus. Dann hab ich was gesehen … es war groß, furchtbar groß … und es ist auf die Spiere raufgesprungen, und auf einmal ist alles zusammengebrochen. Ich wollte schießen, aber meine Flinte hat versagt. Ich hab sie am Schanzkleid stehen lassen.«
Auf die Spiere raufgesprungen? Blanky wusste, dass sich die gebrasste Spiere zwölf Fuß über dem Deck befand. Niemand konnte da einfach hinaufspringen. Und weil der Mast eisbedeckt war, konnte ihn auch niemand erklettern. Schließlich sagte er: »Wir müssen Berry finden.«
»Keine zehn Pferde bringen mich rüber auf die Backbordseite, Mr. Blanky. Von mir aus können Sie mich melden, damit mir der Bootsmannsmaat Johnson fünfzig mit der Katze gibt, aber da bringen mich keine zehn Pferde rüber, nein, Sir.« Handfords Zähne klapperten so heftig, dass er kaum zu verstehen war.
»Jetzt beruhige dich«, fauchte Blanky. »Hier wird niemand gemeldet. Wo ist Leys?«
Von seiner Position am Steuerbordposten hätte Blanky eigentlich den Schimmer von David Leys’ Laterne erkennen müssen. Doch vorn am Bug war alles dunkel.
»Seine Lampe ist auch ausgegangen, wie ich meine hab fallen lassen«, brachte Handford mühsam hervor.
»Hol deine Flinte.«
»Ich kann da nicht mehr hin, wo …«
»Der Blitz soll dich treffen!«,
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