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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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brüllte Thomas Blanky. »Wenn du nicht sofort parierst, du gottverfluchter Hosenscheißer, dann
kriegst du es mit mir zu tun, John Handford, und dagegen sind fünfzig läppische Hiebe mit der Katze das reinste Zuckerschlecken, das kannst du mir glauben. Und jetzt los !«
    Handford setzte sich in Bewegung. Blanky folgte ihm, immer darauf bedacht, dem Segeltuchhaufen mittschiffs nicht den Rücken zuzukehren. In dem dichten Schneegestöber warf die Laterne einen Lichtkreis von höchstens zehn Fuß. Der Eislotse hielt Lampe und Flinte hoch erhoben, und allmählich wurden ihm die Arme müde.
    Mit vor Kälte tauben Fingern mühte sich Handford, seine Waffe aus dem Schnee zu klauben.
    »Wo zum Teufel hast du deine Fäustlinge und Handschuhe gelassen, Mann?«, blaffte Blanky.
    Handfords Zähne klapperten so heftig, dass er zu keiner Antwort fähig war.
    Ungeduldig stellte Blanky seine Flinte ab, schob den Matrosen beiseite und hob dessen Waffe auf. Mit einem kurzen Blick vergewisserte er sich, dass kein Schnee in den Lauf geraten war, klappte die Flinte auf und hängte sie Handford über den Arm, damit er sie halten konnte, ohne sie mit bloßen Händen anfassen zu müssen. Nachdem sich der Eislotse die eigene Waffe unter den Arm geklemmt hatte, kramte er eine Patrone aus seiner Überrocktasche, lud die Flinte des Matrosen und klappte sie für ihn zu. Um sich im tosenden Wind Gehör zu verschaffen, schrie er Handford fast direkt ins Ohr. »Wenn irgendwas aus dem Haufen rauskommt, was größer ist als Leys oder ich, dann zielst du und drückst ab, und wenn du es mit deinen verdammten Zähnen machen musst.«
    Handford brachte ein Nicken zustande.
    »Ich suche jetzt vorn nach Leys und schaue, dass ich zusammen mit ihm die vordere Luke aufkriege.« Blanky starrte über das krängende Deck zum Bug. In dem dunklen Gewirr aus steifgefrorenem Segeltuch, verrutschten Schneemassen, zerbrochenen
Balkenstücken und verstreuten Kisten schien sich nichts zu bewegen.
    »Ich kann doch nicht …«, stammelte Handford.
    »Bleib einfach, wo du bist.« Blanky stellte die Laterne neben den verängstigten Matrosen. »Und dass du ja nicht auf mich schießt, wenn ich mit Leys zurückkomme, sonst verfolgt dich mein Geist bis an dein Lebensende, das schwör ich dir, John Handford.«
    Das bleiche Gesicht des Matrosen nickte erneut.
    Blanky steuerte auf den Bug zu. Nach einem Dutzend Schritten war er außerhalb des Lampenscheins, ohne dass seine Augen sich schon an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Graupel schlug ihm ins Gesicht wie Schrotkugeln. Über ihm heulte der Wind durch die Reste von Takelwerk, die sie vor dem endlosen Winter nicht niedergeholt hatten. Hier war es so finster, dass Blanky die Flinte in die linke, noch mit einem Fäustling bedeckte Hand nehmen musste, um sich mit der rechten am eisbedeckten Schanzkleid entlangzutasten. Soweit er das einschätzen konnte, war die Großspiere auch an der Vorderseite des Masts abgebrochen.
    »Leys!«, rief er.
    Aus dem Trümmerhaufen wälzte sich etwas Großes, schemenhaft Weißes und stellte sich ihm in den Weg. In der Dunkelheit war für den Eislotsen nicht zu erkennen, ob es ein weißer Bär oder ein tätowierter Dämon und ob das Wesen zehn oder dreißig Fuß von ihm entfernt war. Nur eines war sicher: Der Durchgang zum Bug war versperrt.
    Dann stellte sich das Wesen auf die Hinterbeine.
    Blanky konnte die Umrisse der dunklen Gestalt fast nur an der Menge des wehenden Schnees abschätzen, die sie verdrängte. Aber er begriff, dass sie riesig war. Der eher kleine dreieckige Kopf, falls das da oben in der Dunkelheit wirklich ein Kopf war, ragte über die Stelle hinaus, an der die Spiere abgebrochen
war. In das fahle Dreieck schienen zwei Löcher gestanzt – Augen? –, die mindestens vierzehn Fuß über dem Deck schwelten.
    Das gibt es nicht , dachte Blanky.
    Die Gestalt kam auf ihn zu.
    Blitzschnell wechselte Blanky die Flinte in die rechte Hand, drückte den Kolben an die Schulter, stützte den Lauf mit der Fäustlingshand und schoss.
    Den Bruchteil einer Sekunde lang konnte der Eislotse im Mündungsblitz der Flinte die schwarzen, toten, fühllosen Augen eines Hais sehen, die ihn anstarrten. Nein, nicht die Augen eines Hais, erkannte er unmittelbar darauf, geblendet vom Nachbild des Schusses auf der Netzhaut, sondern zwei abgrundtief finstere Kreise, deren erschreckende Grausamkeit und Intelligenz der Ausdruck eines Hais nie erreicht hätte. In jedem Fall war es der erbarmungslose Blick eines

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