Terror
hinab in die Dunkelheit zu stürzen.
Die Wanten hatten den äußersten Punkt ihres Bogens irgendwo außerhalb des Steuerbordschanzkleids erreicht und begannen zurückzuschwingen.
Immer noch zu hoch . Das verwirrte Tauwerk über ihm wirbelte wieder zum Großmast.
Ohne jede Mühe fing das Ungeheuer die Wanten ein, als sie das Mittschiff erreichten, doch Blanky hing inzwischen zwanzig Fuß tiefer und kletterte weiter an den Webeleinen abwärts, so schnell es seine eisstarren Hände erlaubten.
Das Wesen machte sich daran, die gesamten Wanten nach oben zu zerren.
Gottverflucht, mich laust der Affe , schoss es Blanky durch den Kopf, als die ein bis eineinhalb Tonnen schweren, eisverkrusteten Wanten samt dem daran hängenden Mann so leicht und sicher eingeholt wurden wie ein Fischernetz.
Dem Entschluss folgend, den er in den letzten Sekunden gefasst hatte, ließ sich der Eislotse weiter nach unten gleiten, während er gleichzeitig mit seinem ganzen Gewicht wie ein Junge auf einer Seilschaukel nach vorn und hinten ruckte, um den seitlichen Schwung der Wanten zu erhöhen. Doch unaufhaltsam zog ihn das Wesen zu sich hinauf, und so schnell er auch kletterte, er kam nicht weiter nach unten. Er wusste, wenn er das Ende des Tauwerks erreicht hatte, würde er immer noch fünfzig Fuß hoch in der Luft hängen.
Allerdings hatte er noch genug Spiel, dass er, beide Hände an den Wanten und die Beine in die Webeleinen gestemmt, ungefähr zwanzig Fuß nach steuerbord schwenken konnte. Er schloss die Augen und stellte sich wieder den Jungen auf der Seilschaukel vor.
Aus beängstigend kurzer Entfernung hörte er von oben ein angestrengtes Grunzen. Dann folgte ein heftiger Ruck, und die gesamten Wanten wurden weitere fünf oder sechs Fuß nach oben gezerrt.
Ohne zu wissen, ob er inzwischen zwanzig Fuß über dem Deck war oder fünfundvierzig, und nur auf den genauen Ablauf seines Schwungs nach außen bedacht, riss Blanky das Tauwerk
mit aller Kraft in die Dunkelheit auf der Steuerbordseite des Schiffs hinaus, stieß sich mit den Stiefeln ab und sprang ins Leere.
Der Sturz dauerte unendlich lange.
Als Erstes musste er sich in der Luft drehen, um möglichst auf den Beinen zu landen und nicht mit dem Kopf, dem Rücken oder dem Bauch aufzuschlagen. Das Eis würde nicht viel nachgeben – noch weniger natürlich das Schanzkleid oder das Deck –, doch darauf hatte er jetzt ohnehin keinen Einfluss mehr. Noch im Fallen war dem Eislotsen klar, dass sein Leben nun von den Gesetzen der Newton’schen Arithmetik abhing.
Er ahnte, dass das Steuerbordschanzkleid in sechs Fuß Entfernung an seinem Kopf vorbeizog, und hatte gerade noch Zeit, sich zusammenzurollen sowie Beine und Arme bereit zu machen, bevor er auf dem Hang aus Eis und Schnee aufprallte, der von der unnatürlich erhobenen Terror abfiel wie eine Rampe. Bei seinem blinden Schaukeln in den Wanten hatte der Eislotse seine Lage gegisst, so gut es irgend ging, damit seine Flugbahn knapp hinter dem zementharten, von den Männern fast täglich benutzten Eispfad und gleichzeitig noch vor den Haufen endete, wo die Walboote unter gefrorener Leinwand und drei Fuß Schnee festgelascht waren.
Er landete genau zwischen der Eisrampe und den schneebedeckten Booten. Der Aufprall verschlug ihm den Atem. In seinem linken Bein riss ein Muskel, oder ein Knochen brach. Blanky blieb ein Augenblick für ein Stoßgebet zu Göttern, die vielleicht in dieser Nacht wach waren, dass es nur ein Muskel sein möge. Dann rollte er fluchend und schreiend den langen, steilen Hang hinunter, als wollte er mit seiner eigenen kleinen Schneewehe gegen den Sturm antreten, der das Schiff belagerte.
Dreißig Fuß vor der Terror , irgendwo draußen auf dem schneebedeckten Meereis, blieb Blanky schließlich auf dem Rücken liegen.
In aller Eile ging er sämtliche Körperteile durch. Seine Arme waren nicht gebrochen, allerdings hatte er sich das rechte Handgelenk verstaucht. Sein Kopf schien in Ordnung. Die Rippen taten ihm weh, und das Atmen fiel ihm schwer, doch das lag wahrscheinlich mehr an der Angst und Anspannung als an irgendwelchen Brüchen. Im linken Bein jedoch hatte er höllische Schmerzen.
Blanky wusste, dass er eigentlich sofort aufstehen und weiterrennen musste, aber er war nicht imstande, seinen eigenen Rat zu befolgen. Hingestreckt auf dem dunklen Eis, das ihm ebenso wie die Luft ringsherum die Wärme aus dem Körper sog, war er vollkommen zufrieden damit, erst einmal zu verschnaufen und wieder ein
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