Terror
Großen Messe Platz für das Treffen der Offiziere zu schaffen.
Auf der Erebus lagen doppelt so viele Männer mit Skorbutsymptomen im Lazarett, und Dr. Goodsir hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass einige von ihnen zu krank für eine Verlegung waren.
Nun drängten sich fünfzehn Verantwortliche der Expedition um die lange Tafel, die im Januar in kürzere Stücke zerteilt worden war, um dem Wundarzt als Operationstische zu dienen, die aber jetzt von Mr. Honey, dem Zimmermann der Terror, eigens wieder zusammengebaut worden war. Die Teilnehmer an der Besprechung hatten ihre Plünnen, Fäustlinge, Welsh Wigs und Schals am Fuß des Hauptniedergangs abgelegt, trugen allerdings noch ihre anderen Kleider. Im ganzen Raum roch es nach feuchter Wolle und ungewaschenen Körpern.
In der langen Kajüte war es kalt, und durch die Patentscheilichten an der Decke drang nicht der geringste Schimmer, weil auf dem Deck immer noch drei Fuß Schnee und die Winterpersenning lagen. Die Waltranlampen an den Wänden flackerten zwar unverzagt, konnten aber nur wenig gegen die Dunkelheit ausrichten.
Die Versammlung an der Tafel war wie ein düsteres Abbild des Kriegsrats, den Sir John Franklin vor knapp eineinhalb Jahren auf der Erebus gehalten hatte, nur dass steuerbord am Kopf der Tafel nicht Sir John saß, sondern Francis Crozier.
Links von Crozier, auf der achterlichen Seite des Tisches, versammelten sich die sieben Besatzungsmitglieder der Terror , die er zu dieser Besprechung gebeten hatte. Gleich neben ihm saß sein Stellvertreter, der Erste Leutnant Edward Little. Als Nächstes kam der Zweite Leutnant George Hodgson, gefolgt vom Dritten Leutnant John Irving. Dann der Maschinist James Thompson, der als Zivilist auf dieser Expedition den Rang eines Deckoffiziers bekleidete und bleicher und ausgemergelter aussah als je zuvor.
Die Plätze links von Thompson besetzten der Eislotse Thomas Blanky, der auf seinem Holzbein schon wieder ganz munter herumhumpelte, und der Vortoppmann Harry Peglar, einer von zwei Unteroffizieren, die Crozier eingeladen hatte. Den Abschluss bildete Sergeant Tozer. Er war zwar bei beiden Kapitänen
in Ungnade gefallen, nachdem seine Leute in der Silvesternacht auf Überlebende des Brandes geschossen hatten, sollte aber als höchstrangiger Vertreter für das Kontingent von Seesoldaten sprechen.
Am Backbordende der langen Tafel saß Kapitän Fitzjames. Crozier wusste, dass sich Fitzjames wochenlang nicht rasiert hatte und ihm ein rötlicher, erstaunlich grau gesprenkelter Bart gewachsen war. Doch heute hatte er die Anstrengung auf sich genommen – oder sich von seinem Steward Mr. Hoar rasieren lassen. Sein mit zahllosen Kratzern und Schnitten übersätes Gesicht wirkte dadurch nur noch dünner und bleicher. Obwohl er viele Kleiderschichten trug, war nicht zu übersehen, dass von seiner früheren Leibesfülle nicht mehr viel übrig war.
Zur Linken von Kapitän Fitzjames an der vorlichen Seite der Tafel saßen sechs Besatzungsmitglieder der Erebus . Unmittelbar neben dem Kapitän befand sich sein einziger verbliebener hochrangiger Seeoffizier – Sir John Franklin, der Erste Leutnant Gore und der Dritte Leutnant James Walter Fairholme waren allesamt dem Wesen aus dem Eis zum Opfer gefallen – Leutnant H.T.D. Le Vesconte, dessen Goldzahn aufblitzte, wenn er lächelte. Als Nächstes folgte Charles Frederick Des Voeux, der Nachfolger des Ersten Unterleutnants Robert Orme Sargent, der im Dezember bei Reparaturarbeiten an den Wegmalen von dem Ungeheuer getötet worden war.
Neben Des Voeux hatte der einzige überlebende Schiffsarzt Platz gefunden, Dr. Harry D. S. Goodsir. Obwohl er inzwischen für die gesamte Expedition als Arzt fungierte, hatten es sowohl die beiden Kapitäne als auch der Chirurg selbst für angebracht gehalten, dass er sich zu den Schiffsmaaten der Erebus gesellte.
Links von Goodsir sah man den Eislotsen James Reid, gefolgt von dem einzigen anwesenden Unteroffizier der Erebus , dem Vortoppmann Robert Sinclair. Den Abschluss bildete der Maschinist
John Gregory, der viel gesünder wirkte als sein Kollege von der Terror.
Da beide Kapitänsstewards mit Skorbutbeschwerden im Lazarett lagen, wurden der Tee und der ungezieferreiche Zwieback von den beiden Subalternoffiziersstewards Mr. Gibson und Mr. Bridgens gereicht.
»Wir wollen alles der Reihe nach besprechen«, sagte Crozier. »Zuerst die Frage: Können wir bis zum möglichen Beginn des Tauwetters im Sommer auf den Schiffen ausharren?
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