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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ebenfalls dabei und noch den von Fitzjames als Reserve, aber die beiden Offiziere hatten schon seit Wochen keine Sternen- und Sonnenmessungen mehr vorgenommen. Es war einfach nicht wichtig. Wenn King-William-Land eine Halbinsel war, wie es die meisten Arktisforscher vermutet hatten, dann musste diese Küste direkt zu Backs Fischfluss führen. Und wenn es eine Insel war, was Leutnant Gores und auch Croziers Vermutung entsprach, dann würden sie im Süden bald das Festland erblicken und konnten eine sicherlich nicht sehr breite Meeresstraße überqueren, um zu ihrem Ziel zu gelangen.
    Da ihnen also ohnehin keine andere Wahl blieb, hatte sich Crozier darauf beschränkt, der Küste zu folgen und ihre Position durch Gissen zu ermitteln. Er schätzte, dass sie im Augenblick noch ungefähr neunzig Meilen von der Mündung des Großen Fischflusses entfernt waren.
    Auf ihrem Marsch hatten sie im Durchschnitt nur wenig mehr als eine Meile am Tag zurückgelegt. An manchen Tagen schafften sie drei oder vier Meilen, und Crozier fühlte sich an die unglaubliche Geschwindigkeit erinnert, mit der sie auf der fest eingegrabenen Eisbahn von den Schiffen zum Terror -Lager gezogen waren. Doch an anderen Tagen hatten sie mehr Fels als Eis unter den Kufen, mussten sie plötzlich auftauchende Bäche und in einem Fall sogar einen richtigen Fluss überqueren, waren sie gezwungen, auf das zerklüftete Meereis auszuweichen, weil es an
der Küste zu steinig wurde, war das Wetter schlecht, oder gab es mehr Kranke als üblich, die von den anderen mitgeschleppt werden mussten. An solchen Tagen waren es nur wenige Hundert Faden, die sie sich von dem vorhergehenden Nachtlager entfernen konnten.
    Nach mehreren warmen Wochen kehrte am ersten Juli plötzlich die Kälte zurück. Aus dem Südosten brauste ein Schneesturm heran und blies den vor die Schlitten gespannten Männern direkt ins Gesicht. Die Wetterplünnen wurden aus den Bündeln auf den Booten geholt, Welsh Wigs aus Taschen und Seesäcken hervorgekramt. Der Schnee auf den Booten und Schlitten machte die Last um Hunderte von Pfund schwerer. Die Kranken, die in den Booten auf der Ausrüstung und den zusammengefalteten Zelten lagen, gruben sich unter die Leinwand, um sich vor der Kälte zu schützen.
    Drei Tage lang schleppten sich die Marschierenden durch ununterbrochenes Schneetreiben aus dem Osten und Südosten. In der Nacht tobten Gewitter, und die Seeleute legten sich flach auf den Segeltuchboden ihres Zelts.
    Heute hatten sie angehalten, weil zu viele krank waren. Goodsir wollte die Leute versorgen, und Crozier nutzte die Gelegenheit, um Trupps auszuschicken. Ein kleinerer Teil sollte das vor ihnen liegende Gelände erkunden und ein größerer Teil im Landesinneren und draußen auf dem Meereis auf die Jagd gehen.
    Sie brauchten dringend Lebensmittel.
    Die gute und zugleich schlechte Nachricht war nämlich, dass sie endlich die letzten Goldner-Büchsen verzehrt hatten. Als der Steward Aylmore, der sich auf Croziers Befehl hin weiterhin an den Konserven gütlich getan hatte, nicht an den schrecklichen Vergiftungserscheinungen gestorben war, die Kapitän Fitzjames das Leben gekostet hatten, griffen alle wieder auf die Büchsenlebensmittel zurück, um die Reste von Salzfleisch, Stockfisch und Zwieback zu ergänzen.

    Der achtundzwanzigjährige Matrose Bill Closson starb stumm schreiend und von inneren Krämpfen geschüttelt, die mit einer völligen Lähmung endeten. Goodsir konnte sich seinen Tod zuerst nicht erklären, doch dann gestand Tom McConvey, einer von Clossons Maaten, dass der Tote eine Büchse Pfirsiche gestohlen und gegessen hatte, von der sonst niemand gekostet hatte.
    Bei der äußerst knappen Bestattung lag Clossons Leiche nur unter einem losen Haufen Steine, weil der alte Segelmacher Murray an Skorbut gestorben war und sie ohnehin keine Leinwand mehr entbehren konnten. Kapitän Crozier zitierte nicht aus der Bibel, sondern aus seinem sagenumwobenen Buch Leviathan.
    »Das Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz. Und für die, die ihre Maaten bestehlen, ist es anscheinend noch kürzer.«
    Diese Totenrede, so lakonisch sie auch war, stieß auf großen Anklang bei den Männern. Die zehn Boote, die sie schon seit zwei Monaten übers Eis schleppten, hatten bis zu diesem Tag alle noch Namen aus der Zeit getragen, als sie zur Erebus und Terror gehörten. Doch jetzt wurden die drei Kutter und die zwei Pinassen, mit denen sich die Seeleute am Nachmittag und Abend

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