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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Büchsen angelegt.
    Auch die Unterleutnants Des Voeux und Couch, der Bootsmann John Lane und der Bootsmannsmaat Tom Johnson hielten Schrotflinten im Anschlag.
    Hickey knurrte wie ein Hund. »Wir ham auch Waffen.«

    »Nein«, erwiderte Crozier, »das stimmt nicht. Während des Appells hat sich Unterleutnant Des Voeux die Freiheit genommen, alle Waffen einzusammeln. Wenn ihr morgen früh friedlich das Lager verlasst, bekommt ihr eine Schrotflinte und etwas Munition. Aber wenn ihr jetzt noch einen Schritt macht, kriegt ihr eine Ladung ins Gesicht.«
    »Ihr werdet alle sterben.« Wie eine magere Vogelscheuche beschrieb Hickey mit dem ausgestreckten Arm einen Halbkreis, um auf die Männer zu deuten, die schweigend ihre Appellstellung hielten. »Wenn ihr Crozier und den anderen Dummköpfen folgt, is das euer sicherer Tod.« Der Kalfaterersmaat fuhr herum und sah den Arzt an. »Dr. Goodsir, wir wollen Ihnen mal verzeihen, dass Sie das mit George Chambers und Davey Leys gesagt ham. Kommen Sie mit uns. Die Männer hier können Sie eh nich mehr retten.« Hickey wies verächtlich auf die eingesunkenen, nassen Zelte, in denen die Kranken lagen. »Die sin schon tot, auch wenn sie’s noch nicht gemerkt ham.« Seine Stimme war erstaunlich laut und voll für seine schmächtige Statur. »Wir werden überleben. Kommen Sie mit uns, dann sehen Sie Ihre Verwandten wieder, Dr. Goodsir. Wenn Sie hier bleiben oder Crozier folgen, sin Sie ’n toter Mann. Kommen Sie mit uns.«
    Goodsir hatte beim Verlassen des Operationszelts aus Versehen die Brille auf der Nase gelassen. Jetzt nahm er sie ab und wischte sie bedächtig mit dem blutigen Ende seines Wamses ab. Der kleine Mann mit den jungenhaft vollen Lippen, dessen fliehendes Kinn sogar noch unter dem buschigen Bart zu erahnen war, wirkte völlig entspannt. Er setzte die Brille wieder auf und blickte Hickey und die Männer hinter ihm an. »Mr. Hickey«, bemerkte er leise, »ich bin Ihnen zwar sehr dankbar dafür, dass Sie mir in Ihrer grenzenlosen Güte das Leben retten wollen, aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie mich gar nicht brauchen für Ihr Vorhaben, Schiffsmaaten zu zerlegen und sich auf diese Weise einen Fleischvorrat anzuschaffen.«

    »Das hab ich nich …«, stammelte Hickey.
    »Auch ein blutiger Anfänger kann das Sezierhandwerk schnell erlernen«, unterbrach Goodsir den Kalfaterersmaat. »Wenn einer der Herren, die Sie als Ihren privaten Proviant mitnehmen wollen, das Zeitliche segnet – oder falls Sie ein wenig nachgeholfen haben –, müssen Sie nur noch ein Bootsmesser schleifen, bis es so scharf ist wie ein Skalpell. Dann können Sie zu schneiden anfangen.«
    »Wir wollen nich …«
    »Aber ich empfehle Ihnen, für alle Fälle auch eine Säge mitzunehmen. Mr. Honeys Zimmermannssägen zum Beispiel sind bestens dafür geeignet. Mit einem Messer können Sie Ihre Schiffsmaaten zwar ohne weiteres um Waden, Finger, Schenkel und Bauchfleisch erleichtern, aber beim Abtrennen von Armen und Beinen werden Sie auf eine gute Säge kaum verzichten können.«
    »Gottverdammt!«, brüllte Hickey. Er wollte mit Manson auf den Arzt losgehen, blieb aber stehen, als die Unterleutnants und Seesoldaten wieder ihre Flinten und Büchsen hoben.
    Ohne Hickey eines Blickes zu würdigen, deutete Goodsir mit beiläufiger Gebärde auf Magnus Manson, als wäre der Hüne ein anatomisches Schaubild an einer Wand. »Im Grunde ist es nicht viel anders als beim Zerlegen einer Weihnachtsgans.« Auf Höhe von Mansons Oberkörper schlitzte er mit der Hand mehrere Male senkrecht und dann noch einmal unterhalb der Gürtellinie waagrecht durch die Luft. »Die Arme werden natürlich an den Schultergelenken abgeschnitten, aber um die Beine abzutrennen, müssen Sie durch die Beckenknochen sägen.«
    Hickeys Halssehnen traten hervor, und sein bleiches Gesicht wurde dunkelrot, doch er unterbrach Goodsir nicht mehr.
    »Ich persönlich würde meine kleinere Säge – die für die Mittelhandknochen  – nehmen, um die Beine an den Knien und die Arme an den Ellbogen zu durchtrennen, und dann mit einem
guten Skalpell die besonderen Leckerbissen herausschneiden: Schenkel, Hintern, die Muskeln an den Oberarmen und Schultern und die fleischigen Teile hinter den Schienbeinen. Erst danach fängt das eigentliche Zerlegen der Brustmuskeln an, um an das wenige Fett zu gelangen, das sich die Herren vielleicht noch bei den Schulterblättern, an den Seiten oder am unteren Rücken bewahrt haben. Natürlich wird es nicht allzu

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