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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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viel Fett und Muskeln geben, aber ich bin mir sicher, dass Mr. Hickey nichts von ihnen verschwenden möchte.«
    Ein Seemann in der Gruppe hinter Crozier sackte auf die Knie und begann zu würgen.
    »Ich habe eigene Geräte, mit denen ich das Brustbein aufbrechen und die Rippen herauslösen kann«, fuhr Goodsir leise fort, »aber ich fürchte, die kann ich Ihnen nicht überlassen. Ein Schiffshammer und ein Meißel sollten diesen Zweck ohnehin genauso gut erfüllen. Ich würde dazu raten, zuerst das Fleisch zu zerschneiden und die Köpfe, Hände, Füße und Eingeweide Ihrer Freunde für später aufzuheben. Und ich darf Sie warnen: Es ist schwieriger, als man glauben möchte, die langen Knochen aufzubrechen, um an das Mark zu gelangen. Dazu brauchen Sie ein Instrument zum Schaben, so ähnlich wie Mr. Honeys Hohlbeitel. Und denken Sie daran, dass das Mark klumpig und rot ist, wenn es direkt aus dem Knochen kommt. Außerdem ist es vermischt mit Splittern und Krümeln, also zum rohen Verzehr nicht unbedingt geeignet. Um das Knochenmark Ihrer Maaten richtig genießen zu können, würde ich Ihnen raten, es vorher in einem Topf ordentlich durchzuko chen.«
    »Leck mich am Arsch«, fauchte Hickey.
    Goodsir nickte. »Ach, noch etwas. Wenn Sie die Absicht haben, sich über das Hirn Ihrer Freunde herzumachen, müssen Sie nur ein paar einfache Maßregeln beachten. Sie sägen den Unterkiefer ab und werfen ihn zusammen mit den Zähnen weg. Dann können Sie mit jedem Messer oder Löffel durch den weichen
Gaumen bohren, um in die Schädelhöhle vorzudringen. Wenn Sie wollen, können Sie auch in geselliger Runde um den Schädel herum Platz nehmen und ihn auslöffeln wie einen Weihnachtspudding.«
    Eine volle Minute lang waren nur der Wind und das krachende, ächzende Eis zu hören.
    »Will noch jemand morgen früh aufbrechen?«, rief Kapitän Crozier.
    Reuben Male, Robert Sinclair und Samuel Honey traten vor.
    »Sie wollen mit Hickey und Hodgson gehen?« Crozier ließ sich nichts von seiner Bestürzung anmerken.
    »Nein, Sir.« Male schüttelte den Kopf. »Wir gehören nicht zu denen. Aber wir wollen zurück zur Terror marschieren.«
    »Wir brauchen auch kein Boot, Sir«, setzte Sinclair hinzu. »Wir haben vor, direkt über Land zu gehen. Quer durch die Insel. Vielleicht finden wir weiter im Landesinneren Füchse oder was Ähnliches.«
    »Es wird nicht leicht sein, Kurs zu halten«, erwiderte Crozier. »Ein Kompass nützt Ihnen hier rein gar nichts, und meinen Sextanten kann ich Ihnen nicht geben.«
    Male schüttelte den Kopf. »Keine Sorge, Kapitän. Wir werden den Kurs einfach gissen. Meistens brauchen wir uns sowieso bloß an den verdammten Scheißwind halten – verzeihen Sie meine Ausdrucksweise, Sir. Wenn er uns ins Gesicht bläst, dann ist es die richtige Richtung.«
    »Ich war früher auch Seemann, Sir«, bemerkte Samuel Honey, der Schmied der Terror . »Wir sind alle Seeleute. Wenn wir schon nicht auf hoher See sterben können, dann sterben wir vielleicht wenigstens auf einem Schiff.«
    »Das wäre also geklärt.« Crozier erhob die Stimme, um von allen Versammelten und auch von den Kranken in den Zelten verstanden zu werden. »Wir treffen uns hier um sechs Glasen und teilen alles auf, was noch an Zwieback, Schnaps, Tabak und
anderen Lebensmitteln da ist. Alle haben zu erscheinen. Auch die, die heute Nacht operiert wurden, werden hergebracht. Dann können alle sehen, was wir noch haben, und jeder bekommt den gleichen Anteil. Ab da sind alle selbst für ihre Rationierung verantwortlich. Ausnahmen sind nur die Kranken, die von Dr. Goodsir versorgt werden.« Mit einem kalten Blick wandte sich Crozier an Hickeys Schar. »Ihr macht unter Aufsicht von Mr. Des Voeux die Pinasse für den Aufbruch bereit. Bei Tagesanbruch verlasst ihr das Lager. Mit Ausnahme der Verteilung um sechs Glasen kommt mir vorher keiner von euch mehr unter die Augen.«

52
Goodsir
    RETTUNGSLAGER
15. AUGUST 1848
     
     
     
    N ach den Amputationen und Mr. Diggles Tod, nach dem Zählappell, der Offenbarung von Hickeys Plänen und der jämmerlichen Aufteilung der letzten Lebensmittel rührte Goodsir sein Tagebuch zwei Tage lang nicht an. Er steckte den fleckigen Lederband in seinen Arztkoffer und ließ ihn dort.
    Die »große Aufteilung«, wie Goodsir sie bei sich nannte, hatte sich als traurige und schier endlose Angelegenheit erwiesen, die sich bis in den frühen Abend hinzog. Schon bald zeigte sich, dass keiner dem anderen über den Weg traute, zumindest wenn

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