Tessa
sich. Keine klaren Gedanken in ihrem Kopf. Sie streicht ihr Haar zurecht, umklammert ihr Glas und geht zurück. Jemand schlägt vor, noch in eine Bar zu gehen. Sie kann jetzt noch einen Drink vertragen. Irgendwohin gehen, nicht zu weit weg, so weit das Kurzstreckentaxi einen bringt. Dorthin, wo die Straßen auch nachts noch voll sind. Wo niemand morgen früh aufstehen und arbeiten gehen muss. Sie mag den Gedanken, er hat etwas Beruhigendes.
Nick kommt auf sie zu. Sie hakt sich bei ihm unter, und gemeinsam mit Jens verlassen sie das Restaurant. Nick und Jens unterhalten sich angeregt. Sie ist einen Moment verunsichert, wie gesprächig Nick mit seinen Freunden sein kann. Sie sagt nichts. Als ein Taxi kommt, stellt sie sich mitten auf die Fahrbahn, hebt kokett den Saum ihres Kleides, weiß, dass die Dunkelheit ihre blauen Flecken schluckt. Sie wirft den anderen Arm hoch und brüllt laut: »Taxi!«
Das Taxi bleibt direkt vor ihr stehen, die Männer beschleunigen ihre Schritte.
Nick steigt vorne ein. Irritiert öffnet sie die hintere Tür. Jens setzt sich neben sie. Er lächelt sie an, doch sie dreht schnell ihren Kopf weg und sieht aus dem Fenster. Sie lehnt sich zurück in die Tiefen der durchgesessenen Polstersitze des alten Mercedes. Draußen leuchten die orangen Straßenlampen. Fahrradfahrer ohne Licht auf Bürgersteigen. Als sie an einer Ampel stehen bleiben, hält neben ihnen ein silbernes Auto, der Fahrer beugt sich zu der lachenden Frau auf dem Beifahrersitz, er nimmt sie in die Arme, und die beiden küssen sich. Das Taxi fährt wieder an. Im Hintergrund hört man ein Hupen. Tessa schließt die Augen.
Das Taxi hält. Nick zahlt, während sie schon mit Jens vor der Bar steht. Eine lebhafte Geräuschkulisse schlägt ihnen entgegen, eine Traube von gut gekleideten und hübschen Menschen steht dicht gedrängt auf dem Bürgersteig. Die Nacht ist mild. Sommer in Berlin. Jeder hält einen Drink in der Hand. Nackte Arme blitzen hier und da. Tessa schlingt sich dennoch ihre Strickjacke fester vor die Brust. Der Bürgersteig ist mit Stühlen und alten Sesseln vollgestellt, ein einzelner ist frei. Tessa setzt sich in den bequemen Sessel und lehnt sich nach hinten. Sie schließt die Augen.
»Was möchtest du trinken?«, hört sie Nick wie aus weiter Entfernung fragen.
Ohne die Augen zu öffnen, flüstert sie schwach: »Einen Cuba Libre, bitte.«
Ein harter Schlag gegen den Sessel, Tessa krallt sich an den Armlehnen fest und sieht erschrocken auf. Dicht über ihr lehnt ein Typ mit einem Longdrink und lacht sie mit breitem Grinsen an, während er eine Entschuldigung nuschelt. Tessa starrt ihn unberührt an. »Oh ho, eine Prinzessin«, lallt er mit schwäbischem Akzent, und seine Worte ziehen sich wie Kaugummi, bevor er sich wieder aufrichtet, sein Gleichgewicht wiederfindet und in der Masse verschwindet.
Jens steht plötzlich neben ihrem Sessel und reicht ihr den Cuba Libre. Sie lächelt ihn an und sieht sich nach Nick um. Eine Gruppe schwedischer Touristen versperrt ihr den Blick. Sie kramt sich aus dem Sessel, wankt kurz und muss sich an Jens’ Arm festhalten, sie spürt seinen festen Oberarm. Sie sehen sich in die Augen. Schnell lässt sie ihn wieder los und trinkt hastig einen Schluck durch den Strohhalm. »Hast du vielleicht Kippen?«, fragt sie. Jens nickt, holt seine Schachtel aus der Hose und bietet ihr eine an. Während er ihr Feuer gibt, vermeidet sie ihn anzuschauen, stattdessen sieht sie sich nach Nick um.
»Weißt du, wo Nick ist?«, fragt sie. Jens deutet mit seiner Bierflasche zur Straße. Sie entdeckt ihn mit dem blonden Mädchen aus dem Restaurant auf dem Bordstein sitzen. Ihr wird schlecht, schnell nimmt sie einen kräftigen Schluck, hackt mit dem Strohhalm in die Eiswürfel und durchbohrt die Zitrone. Aus dem Augenwinkel beobachtet sie, wie Nick sich zu ihr umdreht. Ihre Blicke treffen sich einen Moment. Er streicht dem Mädchen mit der Hand über den Rücken und steht auf. Tessa dreht sich schnell wieder zu Jens. Sie stellt sich dichter an ihn.
»Es ist spät. Wollen wir gehen?«, hört sie Nick hinter sich fragen.
Tessa wirbelt zu ihm rum. »Fickst du die hässliche Kuh?«
»Hör auf zu spinnen«, erwidert er. »Los, komm. Wir gehen.« Er nimmt ihre Hand, und einen Moment ist sie erschrocken über die unerwartete Geste. Sie lässt ihre Hand in seine gleiten, erwidert den leichten Druck. Er verabschiedet sich von Jens. »Ciao, Tessa«, hört sie Jens sagen, aber sie bleibt stumm und dreht
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