Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tessa

Tessa

Titel: Tessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Karlsson
Vom Netzwerk:
Schlafbrille fest zusammen. Das Rauschen in den Ohren wird lauter. Ihr Herz hämmert unkontrolliert. Sie wickelt sich fester in die Decke und fängt an zu schwitzen. Die Zeit verstreicht, aber sie ist meilenweit entfernt vom Schlaf. Sie zerrt sich die Schlafbrille wieder vom Kopf und geht in die Küche, um ihre Medikamentendose aus dem Schrank zu reißen. Ihre Augen können schlecht fokussieren, sie kneift sie zusammen, während sie nach Schlaftabletten sucht. Ein Streifen Rohypnol fällt ihr in die Hände. Zwei Pillen sind übrig. Sie presst eine aus der Packung, steckt sie sich in den Mund, geht zum Küchentisch und greift nach der Flasche mit einem Rest Rotwein. Sie schluckt die Tablette mit dem Wein runter und wartet einen kurzen Moment, dass sich ihr Herz entkrampft. Ihr Blick fällt zurück zur Küchenzeile, die letzte zurückgebliebene Rohypnol lächelt sie beruhigend an. Sie greift danach und schluckt sie mit dem restlichen Wein hinunter. Sie wankt zurück ins Schlafzimmer, legt sich auf den Rücken, schiebt wieder die Schlafmaske über die Augen. Das Rauschen in den Ohren nimmt langsam ab. Sie sinkt in einen komatösen Schlaf. Keine Träume, nur Dunkelheit.

Ihre Augen öffnen sich. Schwarz. Sie sieht nichts. Panik überkommt sie. Sie wirft sich auf die Seite und spürt plötzlich, dass die Schlafbrille verrutscht. Sie reißt sie herunter. Dämmerlicht. Sie hat kein Gefühl für Zeit und Raum. Ihr Gaumen ist ausgetrocknet, sie atmet durch den Mund. Die Nase ist verstopft. Ihr ist übel, und sie muss würgen. Sie rennt auf die Toilette, schafft es gerade so, den Deckel zu öffnen. Sie kann nicht aufhören zu kotzen. Sie spuckt aus Mund und Nase, bis nichts als Galle kommt. Der widerliche Geschmack breitet sich in ihrem Rachen aus, und sie schmeckt ihn beim Atmen. Japsend holt sie Luft. Tränen laufen ihre Wangen hinab. Sie schleppt sich zurück zum Bett, will nur weiterschlafen. Schlafen, morgen ist vielleicht alles wieder gut. Sie kann sich nicht bewegen. Schwer drückt sich ihr Körper in die Matratze. Nicht mal einen Selbstmordversuch wäre es jetzt wert aufzustehen. Augen zu. An was Schönes denken. Gibt es was Schönes in dieser Welt? Irgendwas muss es geben, sie ist sich sicher. Und während sie hofft und krampfhaft nach einem schönen Gedan­ken sucht, schläft sie wieder ein.
    Als Tessa erneut die Augen öffnet, ist es hell draußen. Ihr Körper fühlt sich klebrig an, sie ist nass geschwitzt. Nur ihr Mund ist ausgetrocknet, die Zunge klebt am Gaumen fest. Sie kann den Geschmack des Erbrochenen erahnen. Das hässliche Gefühl, etwas Schlimmes getan zu haben, überkommt sie. Sie will sich nicht an gestern erinnern. Sie schließt die Augen wieder, dreht sich zur Seite und will wieder in den Schlaf gleiten, aber in ihrem Kopf rast es. Was war gestern Nacht? Sie ist stocknüchtern und hellwach. Sie dreht sich auf den Bauch und sieht auf den dreckigen Fußboden. Klamotten liegen verteilt herum. In der leeren Zimmerecke liegen Staubwolken und kleben an einem Spinnennetz fest. Sie will nie mehr feiern gehen. Und keine Drogen, das schwört sie sich. An heute denken. Irgendetwas war. Sie kann sich nicht erinnern, aber wieder einschlafen kann sie auch nicht. Sie kramt sich aus den Decken, steigt aus dem Bett, und als sie aufrecht steht, wird ihr schwarz vor Augen. Wieder zurück auf die Bettkante setzen. Ihr Kopf hämmert. Sie lässt sich nach hinten aufs Bett fallen und starrt die Zimmerdecke an. Einatmen, ausatmen. Sie versucht sich diesmal langsamer aufzurichten, langsamer aufzustehen, schleicht in die Küche und muss dabei ihren Kopf halten, aus Angst, er könne sonst explodieren.
    Sie macht sich erst einmal einen Kaffee. Irgendetwas war diese Woche. Sie schaut auf den Kühlschrank, entdeckt den Arztzettel und erinnert sich an den Termin mit Frau Legemann, ihrer Psychiaterin. Ein übler Kopfschmerz durchzuckt sie. Vielleicht sollte sie den Termin absagen und sich wieder ins Bett legen. Aber sie braucht neue Tabletten. Wie deprimierend. Dabei fällt ihr ein, dass sie ihr Antidepressivum nehmen muss. Die Medikamentendose steht noch geöffnet auf dem Küchentresen. Sie kramt nach den richtigen Tabletten, findet aber keine mehr, nur viele Lithiumstreifen, davon hat sie immer einen Vorrat, weil sie es einfach nicht schafft, zweimal täglich an diese Dinger zu denken. Morgens eine, abends eine. Hat sie gestern Abend ihre Dosis genommen? Nein. Ihr Blick wandert zum Küchentisch. Drei leere Rotweinflaschen stehen

Weitere Kostenlose Bücher